Schiedsrichter mit Pfiff: Mit 60 neu geboren

Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch - Schiedsrichter mit Pfiff!

In Kürze werden "Opfer" und "Täter" einander noch einmal gegenüber stehen. Aug' in Aug' mit dem "Peiniger", Reinhard Bludovsky sehnt diesen Termin herbei. Noch immer hat er Schmerzen, die Schulter tut weh, die Folgen des brutalen Überfalls auf ein wehrloses Opfer wird er noch lange spüren. Wie wird er sich verhalten, wenn er auf die Täter trifft? Was wird er sagen, was wird er denken?

Wahrscheinlich wird er Daniela Kühn und Marina Schichan um den Hals fallen. Nicht zur Vorbereitung einer körperlichen Attacke, sondern aus Dankbarkeit. Schließlich haben diese beiden dem Schiedsrichter aus dem Berliner Vorort Velten das Leben gerettet. Nicht immer ist es schließlich ausschließlich der Schiedsrichter, der Pfiff hat. Pfiffig waren vor allem Kühn und Schichan. Pfiffig. Und mutig. Und couragiert. Und kompetent. So haben sie dafür gesorgt, dass Bludovsky am dritten November einen 60. Geburtstag feiern konnte, der irgendwie auch ein zweiter erster Geburtstag war. Noch heute stockt Kühn die Stimme, wenn sie vom 19. September 2010 erzählt. Von ihrer Heldentat, die für sie eine Selbstverständlichkeit war, vom Hoffen und Bangen, vom Kampf mit dem Tod. Und vom Anblick des Schiedsrichters, der sich mitten im Spiel an die Brust fasst und wenig später leblos zusammensackt.

Vergnügen währt nur kurz

Schiedsrichter Bludovsky hat von alldem nichts mitbekommen. Seine Erinnerungen an den 19. September beschränken sich auf die Ereignisse vor dem Spiel. Er weiß noch, wie er in Velten losgefahren ist und sich auf den Sonntagnachmittag auf dem Sportplatz gefreut hat. Das Spiel zwischen OFC Eintracht III und dem FV Liebenwalde II stand an, unter der Woche hatte er gearbeitet, am Samstag auch, das Pfeifen würde ihm Abwechslung, Erholung und Vergnügen bieten. Dachte er.

Doch das Vergnügen währte nur kurz, nach 15 Minuten hörte sein Herz zu schlagen auf. Herzinfarkt. Gab es Anzeichen, körperliche Schwächen im Vorfeld, Probleme mit dem Herzen? Nichts dergleichen. „Ich habe mich blendend gefühlt“, sagt Bludovsky. Ernsthaft krank war er nie. Schon gar nicht im Vorfeld des Spiels. Auch an diesem Tag läuft für Bludovsky zunächst alles wie üblich. Der Schiedsrichter hat die Partie auf dem Nebenplatz der Carollis-Toleranz-Arena im Griff, seine Entscheidungen sind korrekt, kein Grund zur Aufregung.

Die setzt erst ein, als es dunkel um den Mann in Schwarz wird. Kühn und Schichan sitzen zu diesem Zeitpunkt im Mannschaftsbus, ihr Team, die Damen der SG Blau Weiß Beelitz, hatte schon zuvor gespielt. Erfolgreich im Übrigen, doch das wird wenig später schon niemanden mehr interessieren. Bald soll die Heimfahrt beginnen, doch wie es halt so ist, ein paar Spielerinnen trödeln, schauen den Männern zu, die Abfahrt verzögert sich. Ein Glück, das Bludovski das Leben gerettet hat. „Auf einmal hörte ich, wie die Spielerinnen meinen Namen gerufen haben“, erzählt Physiotherapeutin Kühn. „Da wusste ich, dass etwas passiert sein muss.“ Wie schlimm es war, weiß sie nicht. Immer lauter werden die Rufe und immer schneller ihre Schritte. Als ihr erster Blick auf den reglos am Boden liegenden Bludovsky fällt, ahnt sie bereits die Diagnose: Herzstillstand. Herzinfarkt. Und sie weiß: jetzt muss es schnell gehen. „Wir haben nicht nachgedacht“, sagt sie, „wir haben funktioniert.“

Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung



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Sie gehören zum Spiel wie der Ball ins Tor. 80.000 Schiedsrichter sorgen auf Deutschlands Fußballplätzen für Recht und Ordnung. DFB.de-Redakteur Steffen Lüdeke stellt immer donnerstags Referees mit ungewöhnlichen Geschichten vor. Engagiert und unparteiisch - Schiedsrichter mit Pfiff!

In Kürze werden "Opfer" und "Täter" einander noch einmal gegenüber stehen. Aug' in Aug' mit dem "Peiniger", Reinhard Bludovsky sehnt diesen Termin herbei. Noch immer hat er Schmerzen, die Schulter tut weh, die Folgen des brutalen Überfalls auf ein wehrloses Opfer wird er noch lange spüren. Wie wird er sich verhalten, wenn er auf die Täter trifft? Was wird er sagen, was wird er denken?

Wahrscheinlich wird er Daniela Kühn und Marina Schichan um den Hals fallen. Nicht zur Vorbereitung einer körperlichen Attacke, sondern aus Dankbarkeit. Schließlich haben diese beiden dem Schiedsrichter aus dem Berliner Vorort Velten das Leben gerettet. Nicht immer ist es schließlich ausschließlich der Schiedsrichter, der Pfiff hat. Pfiffig waren vor allem Kühn und Schichan. Pfiffig. Und mutig. Und couragiert. Und kompetent. So haben sie dafür gesorgt, dass Bludovsky am dritten November einen 60. Geburtstag feiern konnte, der irgendwie auch ein zweiter erster Geburtstag war. Noch heute stockt Kühn die Stimme, wenn sie vom 19. September 2010 erzählt. Von ihrer Heldentat, die für sie eine Selbstverständlichkeit war, vom Hoffen und Bangen, vom Kampf mit dem Tod. Und vom Anblick des Schiedsrichters, der sich mitten im Spiel an die Brust fasst und wenig später leblos zusammensackt.

Vergnügen währt nur kurz

Schiedsrichter Bludovsky hat von alldem nichts mitbekommen. Seine Erinnerungen an den 19. September beschränken sich auf die Ereignisse vor dem Spiel. Er weiß noch, wie er in Velten losgefahren ist und sich auf den Sonntagnachmittag auf dem Sportplatz gefreut hat. Das Spiel zwischen OFC Eintracht III und dem FV Liebenwalde II stand an, unter der Woche hatte er gearbeitet, am Samstag auch, das Pfeifen würde ihm Abwechslung, Erholung und Vergnügen bieten. Dachte er.

Doch das Vergnügen währte nur kurz, nach 15 Minuten hörte sein Herz zu schlagen auf. Herzinfarkt. Gab es Anzeichen, körperliche Schwächen im Vorfeld, Probleme mit dem Herzen? Nichts dergleichen. „Ich habe mich blendend gefühlt“, sagt Bludovsky. Ernsthaft krank war er nie. Schon gar nicht im Vorfeld des Spiels. Auch an diesem Tag läuft für Bludovsky zunächst alles wie üblich. Der Schiedsrichter hat die Partie auf dem Nebenplatz der Carollis-Toleranz-Arena im Griff, seine Entscheidungen sind korrekt, kein Grund zur Aufregung.

Die setzt erst ein, als es dunkel um den Mann in Schwarz wird. Kühn und Schichan sitzen zu diesem Zeitpunkt im Mannschaftsbus, ihr Team, die Damen der SG Blau Weiß Beelitz, hatte schon zuvor gespielt. Erfolgreich im Übrigen, doch das wird wenig später schon niemanden mehr interessieren. Bald soll die Heimfahrt beginnen, doch wie es halt so ist, ein paar Spielerinnen trödeln, schauen den Männern zu, die Abfahrt verzögert sich. Ein Glück, das Bludovski das Leben gerettet hat. „Auf einmal hörte ich, wie die Spielerinnen meinen Namen gerufen haben“, erzählt Physiotherapeutin Kühn. „Da wusste ich, dass etwas passiert sein muss.“ Wie schlimm es war, weiß sie nicht. Immer lauter werden die Rufe und immer schneller ihre Schritte. Als ihr erster Blick auf den reglos am Boden liegenden Bludovsky fällt, ahnt sie bereits die Diagnose: Herzstillstand. Herzinfarkt. Und sie weiß: jetzt muss es schnell gehen. „Wir haben nicht nachgedacht“, sagt sie, „wir haben funktioniert.“

Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung

In ihrem Leben hatte sie nie zuvor einen Menschen wiederbeleben müssen, doch als es darauf ankommt, macht sie alles richtig. Herzdruckmassage, wie war das doch gleich? Ach egal, Hauptsache: machen. Und wie sie macht. Im Wechsel gibt sie mit ihren Händen Impulse an den Herzmuskel von Bludovsjky, Schichan, eine gelernte Kinderkrankenschwester, übernimmt die Mund-zu-Mund-Beatmung. Wie lange? Hier setzt auch die Erinnerung von Kühn aus. Minuten, Sekunden, gefühlt: Jahre.

Irgendwann, rechtzeitig, ist der Notarzt da. Es folgt das ganze Programm: Intubation, Defibrillation. Und zum Schluss: erfolgreiche Reanimation. Davon erfahren Kühn und Schichan, als sie sich wieder im Bus befinden. Hier sitzen sie, warten, starren auf das Telefon. Dann schneidet ein Klingeln durch die Stille. „Mein Puls ging bis zum Anschlag, ich war fast nicht in der Lage, ans Telefon zu gehen“, erzählt Kühn. Im wahren Leben ist sie Leiterin eines Pflegeheims, ihr Alltag besteht darin, Menschen beim Sterben zu begleiten. Kühn geht ans Telefon. Dann: Aufatmen. Der Patient wird leben, das Herz schlägt wieder. Diesmal hat sie den Tod besiegt. Der Rest verschwimmt in Tränen. Tränen der Freude, Tränen der Erleichterung.

Gewaltiges Glück

Einen Tag später erwacht Bludovsky in seinem Zimmer im Krankenhaus. Er hat keine Erinnerungen, weiß nicht mehr, was passiert ist. „Wo bin ich?“, denkt er und weiß nicht, wie wertvoll dieser Gedanke ist. Denn er gibt ein erstes Indiz dafür, dass sein Gehirn durch den Herzstillstand nicht beschädigt wurde. In einigen Monaten wird er aller Voraussicht nach wieder vollständig hergestellt sein. „Ich hatte gewaltiges Glück“, sagt er, „und jede Menge Schutzengel.“ Zwei davon hatten eine irdische Gestalt: Kühn und Schichan. Natürlich hat er beide bereits angerufen, natürlich hat er sich schon bedankt. Trotz der Schmerzen in der Schulter, die die Herzrhythmus-Massage ausgelöst haben. „Ich kann gar nicht zum Ausdruck bringen, wie dankbar ich den beiden bin“, sagt Bludovsky. Deswegen will er sie so schnell wie möglich treffen und sich noch einmal persönlich bedanken.

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Und noch eins will er so schnell wie möglich wieder: auf den Platz zurückkehren und als Unparteiischer Fußballspiele leiten. "Wo bin ich?", war sein erster Gedanke, „werde ich wieder pfeifen können?“, war der zweite. Seit 1996 ist Bludovsky als Schiedsrichter aktiv. Seine Vita ist klassisch. Anfangs hat er selber gespielt, später war er über viele Jahre Jugendleiter und Trainer bei verschiedenen Vereinen. Heute dient er dem Fußball nur noch an der Pfeife. Seit 15 Jahren ist er für den Birkenwerder BC aktiv, hier hat er einen Verein gefunden, bei dem er sich als Schiedsrichter gut aufgehoben weiß. Die Schiedsrichterei ist sein Leben, deswegen kämpft der 60-Jähirge darum, dass ihm dies erhalten bleibt. „Mir hat es immer großen Spaß gemacht“, erzählt er, „ich will mir das nicht nehmen lassen.“

Man merkt Bludovsky diese Begeisterung an. Wenn er auf dem Platz steht strahlt er fast, für die Spieler hat er immer einen lockeren Spruch parat. „Er ist bei uns eine sehr positive Erscheinung“, sagt Helmut Ploch, der Vorsitzende des Schiedsrichterkreises Oberhavel. Als eifrig und engagiert beschreibt er Bludovsky, als kompetent und zielstrebig. „Wir sind froh, dass wir Schiedsrichter wie ihn haben“, sagt Ploch, „wir drücken alle die Daumen, dass es ihm gelingt, wieder auf den Platz zurückzukehren.“