Rohr: "Deutsche Konstanz ist beeindruckend"

Deutschland gegen Frankreich - für Gernot Rohr ist es nicht nur das mit Spannung erwartete Halbfinale der Europameisterschaft (Donnerstag, ab 21 Uhr, live im ZDF und im Fan-Club-Radio). Für den 62-Jährigen ist es auch das Duell seines Heimatlandes mit seiner Wahlheimat. 1977 kam der gebürtige Mannheimer als Spieler zu Girondins Bordeaux. Er lebt also mittlerweile mit kurzen Unterbrechungen seit fast 40 Jahren in Frankreich.

Im DFB.de-Interview spricht der frühere Trainer und Frankreich-Experte über das Duell der DFB-Auswahl mit dem Gastgeber. Er verrät, für wen sein Herz in dieser Begegnung schlägt, welche deutschen Spieler die Franzosen besonders verehren und wieso er etwas Sorge hat, dass er am Donnerstagabend nach dem Schlusspfiff traurig sein könnte.

DFB.de: Herr Rohr, Sie haben die ganze EURO bisher in Frankreich verbracht. Wie ist die Stimmung dort vor dem Halbfinale?

Gernot Rohr: Die Euphorie ist riesig. Ich habe den Eindruck, dass das 5:2 der Franzosen gegen Island den Knoten zum Platzen gebracht hat. Die französischen Trikots sind fast alle ausverkauft. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Nation nun voll hinter ihrer Auswahl steht. Das Land ist durch den Fußball eine Einheit geworden. Es passt jetzt einfach alles zusammen. Selbst das Wetter wird jeden Tag besser.

DFB.de: Also glauben die Franzosen auch daran, dass ihre Mannschaft ins Finale einziehen kann?

Rohr: Ja, das ist ganz klar der Fall. Es gibt einige Dinge, die den Franzosen große Hoffnung machen. Einerseits ist das natürlich die schwierige personelle Situation bei den Deutschen. Mats Hummels ist gesperrt. Also genau der Spieler, der sie vor zwei Jahren im Viertelfinale aus der Weltmeisterschaft befördert hat. Auch Sami Khedira und Mario Gómez sind nicht dabei. Was mit Bastian Schweinsteiger ist, ist noch unklar. Andererseits denken die Franzosen gerne an die Heim-EURO 1984 zurück. Da haben sie als Gastgeber ja ebenfalls den Titel geholt. Auch das 2:0 gegen Deutschland im November des vergangenen Jahres macht ihnen sportlich Hoffnung - die Begleitumstände mit den Terroranschlägen waren natürlich grauenhaft. Allerdings erwartet jeder im Halbfinale ein ganz anderes Spiel. Frankreich braucht eine absolute Topleistung, wenn sie ins Endspiel einziehen wollen. Deutschland war meiner Meinung nach bisher die stärkste Mannschaft in diesem Turnier.

DFB.de: Ist dieses Spiel für Sie das vorgezogene Endspiel?

Rohr: Für mich persönlich schon, ja. Ich will damit nicht Wales oder Portugal die Qualität absprechen oder gar behaupten, dass die es nicht verdient hätten, das Halbfinale erreicht zu haben. Aber Frankreich gegen Deutschland hat für mich einen anderen Stellenwert. Da treffen zwei der größten und erfolgreichsten Fußballnationen der Welt aufeinander. Das wir ein Duell auf Augenhöhe.

DFB.de: Was glauben Sie, wer gewinnen wird?

Rohr: Ich kann es wirklich nicht sagen. Die Franzosen sind mühsam ins Turnier gestartet und haben sich stetig gesteigert. Es ist auf jeden Fall ein Vorteil, dass sie im eigenen Land spielen. Gerade in Marseille ist das Publikum traditionell sehr heißblütig. Ich erwarte, dass dort eine tolle Stimmung herrscht. Das wird ein richtiger Hexenkessel. Gleichzeitig bin ich ziemlich sicher, dass die Mannschaft nicht die gleichen Fehler machen wird, wie die Brasilianer im Halbfinale der Weltmeisterschaft im eigenen Land.

DFB.de: Für wen schlägt Ihr Herz?

Rohr: Ich lebe ja jetzt schon sehr, sehr lange in Frankreich. Und ich bin wirklich glücklich hier. Für mich ist es eine ganz schwere Entscheidung. Wenn ich allerdings tief in mich reinhöre, merke ich, dass meine Sympathien für Deutschland größer sind. Allerdings fürchte ich, dass wir nach dem Halbfinale enttäuscht sein werden. Mich würde es nicht überraschen, wenn die Franzosen ins Endspiel einziehen werden. Mein Gefühl sagt mir, dass das so kommen wird. Vielleicht täusche ich mich auch.

DFB.de: Wie haben Sie persönlich die französische Auswahl bisher in diesem Turnier erlebt?

Rohr: Ich bin begeistert, welch' tolle Rolle Spieler wie Antoine Griezmann, Dimitri Payet oder Olivier Giroud einnehmen. Aber auch in der zweiten Reihe gibt es großartige Spieler, da gibt es eigentlich keinen Qualitätsverlust, wenn diese Jungs eingewechselt werden. Ich denke zum Beispiel an André-Pierre Gignac oder Kingsley Coman. Das ist schon beeindruckend. Im Moment sind alle fit, niemand ist gesperrt. Das könnte ein großer Vorteil für Frankreich sein.

DFB.de: Was denken die Franzosen über Deutschland?

Rohr: Sie haben eine sehr hohe Meinung von dem Team. Sie verehren zum Beispiel Manuel Neuer. Auch Jérôme Boateng wird hier sehr hoch geschätzt. Ebenso Thomas Müller. Er verkörpert zusammen mit dem einen oder anderen für viele Franzosen den neuen deutschen Fußball. Der Respekt ist sehr groß vor der Spielweise und der Entwicklung der Mannschaft im vergangenen Jahrzehnt. Da wurden wirklich viele richtige Entscheidungen getroffen, besonders in der Nachwuchsförderung. Der Lohn dafür sind die herausragenden Ergebnisse in den vergangenen Jahren. Deutschland ist ja nicht nur Weltmeister, sie stehen gefühlt eigentlich immer mindestens im Halbfinale bei den großen Turnieren. Diese Konstanz ist beeindruckend.

[sw]

Deutschland gegen Frankreich - für Gernot Rohr ist es nicht nur das mit Spannung erwartete Halbfinale der Europameisterschaft (Donnerstag, ab 21 Uhr, live im ZDF und im Fan-Club-Radio). Für den 62-Jährigen ist es auch das Duell seines Heimatlandes mit seiner Wahlheimat. 1977 kam der gebürtige Mannheimer als Spieler zu Girondins Bordeaux. Er lebt also mittlerweile mit kurzen Unterbrechungen seit fast 40 Jahren in Frankreich.

Im DFB.de-Interview spricht der frühere Trainer und Frankreich-Experte über das Duell der DFB-Auswahl mit dem Gastgeber. Er verrät, für wen sein Herz in dieser Begegnung schlägt, welche deutschen Spieler die Franzosen besonders verehren und wieso er etwas Sorge hat, dass er am Donnerstagabend nach dem Schlusspfiff traurig sein könnte.

DFB.de: Herr Rohr, Sie haben die ganze EURO bisher in Frankreich verbracht. Wie ist die Stimmung dort vor dem Halbfinale?

Gernot Rohr: Die Euphorie ist riesig. Ich habe den Eindruck, dass das 5:2 der Franzosen gegen Island den Knoten zum Platzen gebracht hat. Die französischen Trikots sind fast alle ausverkauft. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Nation nun voll hinter ihrer Auswahl steht. Das Land ist durch den Fußball eine Einheit geworden. Es passt jetzt einfach alles zusammen. Selbst das Wetter wird jeden Tag besser.

DFB.de: Also glauben die Franzosen auch daran, dass ihre Mannschaft ins Finale einziehen kann?

Rohr: Ja, das ist ganz klar der Fall. Es gibt einige Dinge, die den Franzosen große Hoffnung machen. Einerseits ist das natürlich die schwierige personelle Situation bei den Deutschen. Mats Hummels ist gesperrt. Also genau der Spieler, der sie vor zwei Jahren im Viertelfinale aus der Weltmeisterschaft befördert hat. Auch Sami Khedira und Mario Gómez sind nicht dabei. Was mit Bastian Schweinsteiger ist, ist noch unklar. Andererseits denken die Franzosen gerne an die Heim-EURO 1984 zurück. Da haben sie als Gastgeber ja ebenfalls den Titel geholt. Auch das 2:0 gegen Deutschland im November des vergangenen Jahres macht ihnen sportlich Hoffnung - die Begleitumstände mit den Terroranschlägen waren natürlich grauenhaft. Allerdings erwartet jeder im Halbfinale ein ganz anderes Spiel. Frankreich braucht eine absolute Topleistung, wenn sie ins Endspiel einziehen wollen. Deutschland war meiner Meinung nach bisher die stärkste Mannschaft in diesem Turnier.

DFB.de: Ist dieses Spiel für Sie das vorgezogene Endspiel?

Rohr: Für mich persönlich schon, ja. Ich will damit nicht Wales oder Portugal die Qualität absprechen oder gar behaupten, dass die es nicht verdient hätten, das Halbfinale erreicht zu haben. Aber Frankreich gegen Deutschland hat für mich einen anderen Stellenwert. Da treffen zwei der größten und erfolgreichsten Fußballnationen der Welt aufeinander. Das wir ein Duell auf Augenhöhe.

DFB.de: Was glauben Sie, wer gewinnen wird?

Rohr: Ich kann es wirklich nicht sagen. Die Franzosen sind mühsam ins Turnier gestartet und haben sich stetig gesteigert. Es ist auf jeden Fall ein Vorteil, dass sie im eigenen Land spielen. Gerade in Marseille ist das Publikum traditionell sehr heißblütig. Ich erwarte, dass dort eine tolle Stimmung herrscht. Das wird ein richtiger Hexenkessel. Gleichzeitig bin ich ziemlich sicher, dass die Mannschaft nicht die gleichen Fehler machen wird, wie die Brasilianer im Halbfinale der Weltmeisterschaft im eigenen Land.

DFB.de: Für wen schlägt Ihr Herz?

Rohr: Ich lebe ja jetzt schon sehr, sehr lange in Frankreich. Und ich bin wirklich glücklich hier. Für mich ist es eine ganz schwere Entscheidung. Wenn ich allerdings tief in mich reinhöre, merke ich, dass meine Sympathien für Deutschland größer sind. Allerdings fürchte ich, dass wir nach dem Halbfinale enttäuscht sein werden. Mich würde es nicht überraschen, wenn die Franzosen ins Endspiel einziehen werden. Mein Gefühl sagt mir, dass das so kommen wird. Vielleicht täusche ich mich auch.

DFB.de: Wie haben Sie persönlich die französische Auswahl bisher in diesem Turnier erlebt?

Rohr: Ich bin begeistert, welch' tolle Rolle Spieler wie Antoine Griezmann, Dimitri Payet oder Olivier Giroud einnehmen. Aber auch in der zweiten Reihe gibt es großartige Spieler, da gibt es eigentlich keinen Qualitätsverlust, wenn diese Jungs eingewechselt werden. Ich denke zum Beispiel an André-Pierre Gignac oder Kingsley Coman. Das ist schon beeindruckend. Im Moment sind alle fit, niemand ist gesperrt. Das könnte ein großer Vorteil für Frankreich sein.

DFB.de: Was denken die Franzosen über Deutschland?

Rohr: Sie haben eine sehr hohe Meinung von dem Team. Sie verehren zum Beispiel Manuel Neuer. Auch Jérôme Boateng wird hier sehr hoch geschätzt. Ebenso Thomas Müller. Er verkörpert zusammen mit dem einen oder anderen für viele Franzosen den neuen deutschen Fußball. Der Respekt ist sehr groß vor der Spielweise und der Entwicklung der Mannschaft im vergangenen Jahrzehnt. Da wurden wirklich viele richtige Entscheidungen getroffen, besonders in der Nachwuchsförderung. Der Lohn dafür sind die herausragenden Ergebnisse in den vergangenen Jahren. Deutschland ist ja nicht nur Weltmeister, sie stehen gefühlt eigentlich immer mindestens im Halbfinale bei den großen Turnieren. Diese Konstanz ist beeindruckend.

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