Pape: Pullach statt Papua Neuguinea

Er kennt diese Reaktion: Staunen. Wenn Burkhard Pape (82) aus seinem Leben und von seinen Erlebnissen berichtet, sitzen ihm die Zuhörer oft mit offenen Mündern und spitzen Ohren gegenüber. Bewunderung schlägt ihm entgegen, Neugier. Auch Zweifel. War das wirklich so? Kann das stimmen? Seine Geschichten sind so skurril, so unvorstellbar, so fremd. Was daran liegt, dass sie von einer fremden Welt erzählen, aus einer anderen Zeit.

Vor fast 50 Jahren hat sich Pape von Hannover aus auf den Weg gemacht, den Fußball in die Welt zu bringen. Er war einer der ersten Auslandsexperten des DFB, ein Pionier des runden Leders. Mit Redakteur Steffen Lüdeke hat Pape über fünf Jahrzehnte in Westafrika und Asien gesprochen. Lesen Sie hier den zweiten Teil des Interviews über Kannibalen, Diktatoren und Kokosnüsse, über Magier auf und neben dem Spielfeld, über die Kraft des Fußballs und die Macht der Menschlichkeit.

Hier geht es zum ersten Teil des Interviews

DFB.de: Sie haben in Sierra Leone und eigentlich überall, wo Sie gearbeitet haben, ziemlich schnell Zustimmung in der Bevölkerung gefunden. Sie waren sofort ein Volksheld, wie haben Sie das gemacht?

Burkhard Pape: Ich habe dafür nichts gemacht, ich habe mich nur verhalten wir immer. Für großes Aufsehen hat damals gesorgt, dass ich nach dem Training gemeinsam mit den Spielern duschen gegangen bin. Für die Menschen in Sierra Leone war das eine Sensation, die Zeitungen waren voll damit. Das war dort damals unvorstellbar. Mir hat es Sympathien gebracht, weil es den Menschen signalisiert hat, dass ich mich nicht über sie stelle. Die Westafrikaner hatten durch das Verhalten der früheren Kolonialherren ein ganz anderes Bild von Europäern. Wobei ich dies nicht des Effektes wegen gemacht habe. Ich habe mir nur nichts dabei gedacht, sondern einfach so gehandelt wie in Deutschland auch. Das hat mir so manches Mal geholfen.

DFB.de: Positiv wurde auch aufgenommen, dass Sie sich für Ihre Spieler und deren Herkunft interessiert haben. Sie haben die Familien besucht, auch im Urwald und an den entlegensten Stellen des Landes.

Pape: Wenn ich mit Menschen umgehe, muss ich wissen, wie sie ticken. Und das kann ich nur, wenn ich weiß, wo sie herkommen. Die Besuche bei den Familien habe ich immer als sehr bereichernd erlebt, viele spannende Geschichten und Einsichten verdanke ich diesen Trips.

DFB.de: Sie haben sich generell immer sehr auf die Kulturen eingelassen. In Westafrika war damals die Ju-Ju-Magie der Medizinmänner weit verbreitet. Auch Sie haben sich von einem Ju-Ju-Magier behandeln lassen. Angst hatten Sie nicht?

Pape: Warum hätte ich das haben sollen?

DFB.de: Weil die Schulmedizin wahrscheinlich dringend von einer solchen Behandlung abgeraten hätte.

Pape: Das hätte mich nicht interessiert. In einem Training habe ich mich verletzt, eine offene Wunde oben am Knie, etwa zehn Zentimeter lang. Ich bin dann ins Krankenhaus gegangen, die Wunde wurde behandelt. Sie ist aber immer wieder aufgebrochen. Ich hatte mehrere Operationen, keine hat richtig geholfen. Der deutsche Botschafter hat mir geraten, zur Behandlung in die Heimat zu gehen. Er hatte medizinische Kenntnisse, und er hat gesagt, dass die Gefahr droht, dass das Bein amputiert werden muss, wenn sich nicht bald Besserung einstellt. Das Problem war nur, dass lediglich einmal in der Woche ein Flugzeug nach Deutschland gegangen ist.

DFB.de: Also haben Sie sich einem Ju-Ju-Magier anvertraut. Wie sind Sie an ihn geraten?

Pape: Es gab damals einen Deutschen vor Ort, der schon lange für VW gearbeitet hat, Manfred hieß er. Er war fußballbegeistert, er beherrschte die Stammessprachen. Er kannte sich gut aus, er war ein Abenteurer und schon viel in exotischen Ländern unterwegs. Er hat mir gesagt, "Pass mal auf, morgen früh fahren waren wir los. Ich kenne einen, der dir helfen kann."

DFB.de: Sie waren nicht skeptisch.

Pape: In meinem Leben hat mich ein Grundsatz sehr weit gebracht, und ich glaube, dass mich dieser Grundsatz von vielen anderen unterscheidet. Er lautet: Was ich nicht kenne, finde ich erstmal positiv. Ich bin nie von Beginn an einer Sache gegenüber negativ eingestellt und ein Freund davon, alle Erfahrungen selber zu machen. Also war ich dabei. Wir sind dann am nächsten Morgen mit dem Motorrad aufgebrochen. Wir waren ziemlich schnell im dichten Urwald, mussten dann zu Fuß weiter. Dort haben wir uns abends einen Schlafplatz im Dschungel eingerichtet, und dann wurde es für mich richtig gefährlich.



Er kennt diese Reaktion: Staunen. Wenn Burkhard Pape (82) aus seinem Leben und von seinen Erlebnissen berichtet, sitzen ihm die Zuhörer oft mit offenen Mündern und spitzen Ohren gegenüber. Bewunderung schlägt ihm entgegen, Neugier. Auch Zweifel. War das wirklich so? Kann das stimmen? Seine Geschichten sind so skurril, so unvorstellbar, so fremd. Was daran liegt, dass sie von einer fremden Welt erzählen, aus einer anderen Zeit.

Vor fast 50 Jahren hat sich Pape von Hannover aus auf den Weg gemacht, den Fußball in die Welt zu bringen. Er war einer der ersten Auslandsexperten des DFB, ein Pionier des runden Leders. Mit Redakteur Steffen Lüdeke hat Pape über fünf Jahrzehnte in Westafrika und Asien gesprochen. Lesen Sie hier den zweiten Teil des Interviews über Kannibalen, Diktatoren und Kokosnüsse, über Magier auf und neben dem Spielfeld, über die Kraft des Fußballs und die Macht der Menschlichkeit.

Hier geht es zum ersten Teil des Interviews

DFB.de: Sie haben in Sierra Leone und eigentlich überall, wo Sie gearbeitet haben, ziemlich schnell Zustimmung in der Bevölkerung gefunden. Sie waren sofort ein Volksheld, wie haben Sie das gemacht?

Burkhard Pape: Ich habe dafür nichts gemacht, ich habe mich nur verhalten wir immer. Für großes Aufsehen hat damals gesorgt, dass ich nach dem Training gemeinsam mit den Spielern duschen gegangen bin. Für die Menschen in Sierra Leone war das eine Sensation, die Zeitungen waren voll damit. Das war dort damals unvorstellbar. Mir hat es Sympathien gebracht, weil es den Menschen signalisiert hat, dass ich mich nicht über sie stelle. Die Westafrikaner hatten durch das Verhalten der früheren Kolonialherren ein ganz anderes Bild von Europäern. Wobei ich dies nicht des Effektes wegen gemacht habe. Ich habe mir nur nichts dabei gedacht, sondern einfach so gehandelt wie in Deutschland auch. Das hat mir so manches Mal geholfen.

DFB.de: Positiv wurde auch aufgenommen, dass Sie sich für Ihre Spieler und deren Herkunft interessiert haben. Sie haben die Familien besucht, auch im Urwald und an den entlegensten Stellen des Landes.

Pape: Wenn ich mit Menschen umgehe, muss ich wissen, wie sie ticken. Und das kann ich nur, wenn ich weiß, wo sie herkommen. Die Besuche bei den Familien habe ich immer als sehr bereichernd erlebt, viele spannende Geschichten und Einsichten verdanke ich diesen Trips.

DFB.de: Sie haben sich generell immer sehr auf die Kulturen eingelassen. In Westafrika war damals die Ju-Ju-Magie der Medizinmänner weit verbreitet. Auch Sie haben sich von einem Ju-Ju-Magier behandeln lassen. Angst hatten Sie nicht?

Pape: Warum hätte ich das haben sollen?

DFB.de: Weil die Schulmedizin wahrscheinlich dringend von einer solchen Behandlung abgeraten hätte.

Pape: Das hätte mich nicht interessiert. In einem Training habe ich mich verletzt, eine offene Wunde oben am Knie, etwa zehn Zentimeter lang. Ich bin dann ins Krankenhaus gegangen, die Wunde wurde behandelt. Sie ist aber immer wieder aufgebrochen. Ich hatte mehrere Operationen, keine hat richtig geholfen. Der deutsche Botschafter hat mir geraten, zur Behandlung in die Heimat zu gehen. Er hatte medizinische Kenntnisse, und er hat gesagt, dass die Gefahr droht, dass das Bein amputiert werden muss, wenn sich nicht bald Besserung einstellt. Das Problem war nur, dass lediglich einmal in der Woche ein Flugzeug nach Deutschland gegangen ist.

DFB.de: Also haben Sie sich einem Ju-Ju-Magier anvertraut. Wie sind Sie an ihn geraten?

Pape: Es gab damals einen Deutschen vor Ort, der schon lange für VW gearbeitet hat, Manfred hieß er. Er war fußballbegeistert, er beherrschte die Stammessprachen. Er kannte sich gut aus, er war ein Abenteurer und schon viel in exotischen Ländern unterwegs. Er hat mir gesagt, "Pass mal auf, morgen früh fahren waren wir los. Ich kenne einen, der dir helfen kann."

DFB.de: Sie waren nicht skeptisch.

Pape: In meinem Leben hat mich ein Grundsatz sehr weit gebracht, und ich glaube, dass mich dieser Grundsatz von vielen anderen unterscheidet. Er lautet: Was ich nicht kenne, finde ich erstmal positiv. Ich bin nie von Beginn an einer Sache gegenüber negativ eingestellt und ein Freund davon, alle Erfahrungen selber zu machen. Also war ich dabei. Wir sind dann am nächsten Morgen mit dem Motorrad aufgebrochen. Wir waren ziemlich schnell im dichten Urwald, mussten dann zu Fuß weiter. Dort haben wir uns abends einen Schlafplatz im Dschungel eingerichtet, und dann wurde es für mich richtig gefährlich.

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DFB.de: Weswegen?

Pape: Ich hatte die Schuhe ausgezogen, lag auf der Liege, das Feuer brannte noch ein wenig. Mir wurde zu warm, also bin ich aufgestanden, um meine Liege wegzuschieben. Dann sagt Manfred mit ganz ruhiger Stimme zu mir: "Burkhard, bleib mal ganz ruhig stehen. Genau wo du bist." Er hatte keine Hektik in der Stimme, nichts. Ich stehe also da, dann bittet er mich, einen Schritt nach rechts zu machen. Also mache ich einen Schritt nach rechts. Und dann sehe ich, dass links neben meinen nackten Fuß ein schwarzer Skorpion sitzt. Es gibt nicht viele Tiere, die gefährlicher sind. Das Gift wirkt absolut tödlich. Wir haben den Skorpion dann gefangen, und ich habe ihn für die Forschung mit nach Deutschland genommen.

DFB.de: Den Skorpion haben Sie überlebt. Und den Medizinmann?

Pape: Wir kamen dann am nächsten Tag in dem Dorf an. Meine Wunde wurde untersucht, dann sind zwei oder drei der Einheimischen losgezogen, um alle möglichen Kräuter zu holen. Es wurde Feuer gemacht und eine Paste zusammengebraut. Das wurde dann in die Wunde einmassiert, angenehm war das nicht. Irgendwann haben Sie das alles mit Bananenblättern fixiert. Dann gab es noch ein kleines Ritual und schließlich haben Sie gesagt, dass in drei Tagen alles verheilt ist.

DFB.de: Und?

Pape: Wir sind am nächsten Tag zurückgefahren - zwei Tage später war alles verheilt. Das glaubt mir keiner, aber so war es nun mal. Später habe ich auf meiner Station in Sumatra etwas Ähnliches erlebt mit meinem Tennisarm. Vorher hatte ich in Sri Lanka einen Tennis-Arm bekommen, eine klassische Verletzung bei Überlastung. Es war richtig schlimm, ich konnte keine Büchse öffnen, keine Flasche aufmachen, nichts. Ich habe das mit Cortison und allem Möglichen behandeln lassen, nichts hat geholfen. Als ich dann in Sumatra war, hatten sie gehört, dass ich gut Tennis spiele, also wollten sie mit mir spielen. Ich habe dann von meinem Tennisarm erzählt. Das hat sie gar nicht beeindruckt. Sie haben gesagt, kein Problem, das bekommen wir schnell hin.

DFB.de: Und sie haben es hinbekommen.

Pape: Es war ähnlich wie zuvor in Afrika, wieder sind wir in den Urwald gefahren, nur war der Weg diesmal nicht so lang und auch nicht so beschwerlich. Ich wurde in ein Zelt geführt, ein Medizinmann sitzt drin. Ich zeige ihm meinen Arm, er klopft drauf rum, es tat höllisch weh. Dann holt er eine Salbe raus, schmiert den ganzen Arm ein. Und gibt mir als Anweisung mit auf den Weg, die Salbe zwei Tage lang nicht abzuwaschen. Danach wäre der Schmerz für immer verschwunden. Und was soll ich sagen: Am dritten Tag war der Arm wie neugeboren, bis heute spiele ich viel und regelmäßig Tennis, Probleme mit dem Arm hatte ich nie wieder.

DFB.de: Sie haben eine Art "Pape-System" für die Sicherheit Ihrer Familie etabliert. Mit der Essenz, politisch immer neutral zu bleiben und Verbündete bei potenziellen Putschisten zu finden.

Pape: Überall, wo ich war, habe ich an allen relevanten Stellen erklärt, was ich von Politik halte: nämlich nichts! Ich habe gesagt, dass Politik der größte Mist überhaupt ist, bei mir zu Hause genauso wie hier. Und dass sie mich bloß mit diesem Blödsinn in Ruhe lassen sollen. Das wurde überall akzeptiert. Und dann habe es mir jeweils zur Aufgabe gemacht, mich in jedem Land mit der Armee und der Polizei gut zu stellen. Denn es ist ja klar, dass Umwälzungen immer nur Erfolg haben können, wenn sie von dort aus initiiert oder unterstützt werden.

DFB.de: Gab es Situationen, in denen Ihnen dies geholfen hat?

Pape: Etliche. Im zweiten Jahr in Sierra Leone war es so, dass ich nach dem Training mit der Armee in einem Offizierscasino in Freetown sitze und mir dort von Colonel Johnson gesagt wird, dass das Training am nächsten Tag ausfallen würde. Ich habe ihm gesagt, dass das nicht infrage kommt, und dass immer noch ich entscheiden würde, wann und ob trainiert wird. Ganz Deutscher halt. Daraus hat sich ein kleiner Disput entwickelt. Irgendwann sagt der Colonel: "Glaub mir Coach, morgen ist kein Training, morgen ist Revolution."

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DFB.de: Kein schlechtes Argument.

Pape: Das hat mich auch überzeugt. (lacht) Er hat gleich gesagt, dass ich mir keine Sorgen machen müsse. Die Armee würde zwei Wachen zu meinem Haus schicken, für die Sicherheit von meiner Frau und mir würde gesorgt. Wir haben uns dann Vorräte für ein paar Tage organisiert, ich habe den deutschen Botschafter informiert, der mir nicht geglaubt hat, nachts hat es ein wenig gerappelt - und zwei Tage später war der ganze Spuk wieder vorbei.

DFB.de: Revolutionen waren eine Gefahr. Wie gefährlich waren wilde Tiere? Von dem Erlebnis mit dem Skorpion haben Sie schon erzählt. Wie haben Sie sich ansonsten geschützt?

Pape: Das Erste, was wir gemacht haben, war, uns einen Hund anzuschaffen. Das war gut gegen die Schlangen und alles mögliche Getier, das ums Haus herumgekrochen und -geschlichen ist. Wir haben uns auch selbst bewaffnet. Abends habe ich immer drei, vier Mal in die Luft geschossen. Damit habe ich die ganzen Affen vertrieben.

DFB.de: Sie und Ihre Frau haben zwei Kinder in Afrika und Asien groß gezogen. Überlegungen einer Rückkehr nach Deutschland hatten Sie wegen der Kinder nicht?

Pape: Die Frage macht mich traurig, denn wenn ich über unsere Kinder spreche, reißt immer eine alte Wunde auf. Unser erstes Kind ist bei der Geburt gestorben, 1970 war das. In Uganda war meine Frau schwanger geworden, es war ein absolutes Wunschkind. Wir wollten nicht das geringste Risiko eingehen, deswegen ist meine Frau zur Entbindung nach Deutschland geflogen. Tja, und dann ist trotz allem dieses Drama passiert, die Nabelschnur hatte sich um den Hals gelegt. Mir fällt es bis heute schwer, darüber zu reden.

DFB.de: Dann wollen wir Sie nicht nötigen.

Pape: Es ist schon okay. Und wir haben zum Glück später noch zwei großartige Kinder bekommen, für die ich jeden Tag dankbar bin. Als meine Frau wieder schwanger war, habe ich mich mit Angehörigen der Botschaft ausgetauscht. Viele von ihnen hatten Kinder, ich wollte wissen, wie sie die Situation lösen. Die meisten haben es so gemacht, dass die Kinder in Deutschland auf Internate gegangen sind. Für uns war klar, dass das für uns nicht in Frage kommt. Ich wollte meine Kinder wachsen sehen, wollte mit ihnen groß werden. Das erste Wort, der erste Schritt, die Pubertät, die erste Freundin, diese ganzen Dinge wollte ich nicht verpassen. Meine Kindheit war von Krieg und vielen schlimmen Ereignissen überschattet, die Kindheit meiner Kinder wollte ich positiv gestalten und ganz intensiv miterleben.

DFB.de: Also wuchsen Ihre Kinder in einer fremden Welt auf.

Pape: Das ist ein Denkfehler. Für die Kinder war diese Welt nicht fremd, sie kannten ja nichts anderes. Und bis heute bin ich der festen Überzeugung, dass unsere Kinder von dem Leben, das sie mit uns geführt haben, stark profitieren. So kompliziert war es auch gar nicht. Überall, wo wir waren, gab es eine internationale Schule der Amerikaner. Die Entscheidung, nicht der Kinder wegen nach Deutschland zurück zu gehen, war natürlich dennoch nicht einfach. Auch weil damit klar war, dass wir dieses Leben dauerhaft fortsetzen würden.

DFB.de: Sie haben 18 Jahre in Afrika gearbeitet und dann 18 Jahre in Asien. Über die Umstellung von Europa nach Afrika haben wir schon gesprochen. Wie groß war die Umstellung von Afrika nach Asien? Größer als die von Europa nach Afrika?

Pape: Man kann das nicht miteinander vergleichen. Nach meinen Beobachtungen kann ich grob sagen: Afrika ist sehr lebendig, in Asien ist vieles sehr statisch.

DFB.de: Wie meinen Sie das?

Pape: In Asien gibt es drei Milliarden Tempel, tolle Bauwerke, gigantisch, faszinierend. Aber wenn man drei von ihnen gesehen hat, muss man sich die anderen nicht angucken. Wenn man in Afrika eine Safari gemacht hat, und man macht am nächsten Tag wieder eine, dann hat man zwei komplett verschiedene Erlebnisse.

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DFB.de: Welche Unterschiede haben Sie noch festgestellt?

Pape: Ich fand den Umgang mit den Menschen in Afrika einfacher. Wenn man mit einem Afrikaner verhandelt und er wird sauer, dann merkt man das, dann ist er stinksauer, und er gibt sich auch keine Mühe, dies zu verbergen. Genauso, wenn er sich freut. Dann lacht er, dass die Welt zusammenbricht. Der Asiate lacht 24 Stunden am Tag, auch wenn er sauer ist. Man muss lange in Asien gelebt haben, wenn man es schaffen will, die vier, fünf verschiedenen Arten des Lachens erkennen zu können. Asiaten lachen sogar, um zu verbergen, dass sie trauern.

DFB.de: Wie kam es eigentlich zum Schritt nach Asien?

Pape: Der Fußballballverband Sri Lankas kam auf mich zu, als ich noch in Ägypten gearbeitet hatte. Sri Lanka war damals noch sozialistisch, die Insel hatte sich weitgehend von der Außenwelt isoliert. Es zeichnete sich aber eine Öffnung für den Westen ab. So kam es dann auch, und als klar war, dass sich die Dinge politisch geändert hatten, haben wir uns entschieden, das Angebot anzunehmen.

DFB.de: Und kamen in ein Paradies.

Pape: Damals, ja. Traumstrände, faszinierende Landschaften, tolles Wetter. Es war dort wirklich auszuhalten. Besonders beeindruckt war ich vom friedlichen Zusammenspiel der Kulturen. Bei meinen Besuchen in Deutschland habe ich oft darüber gesprochen, dass Sri Lanka der beste Beweis für die friedliche Koexistenz verschiedener Kulturen und Religionen ist. Dort lebten damals Buddhisten, Hindus, Muslime, Christen und Atheisten – und niemand hatte ein Problem mit niemandem. Sri Lanka war das Land mit den meisten Feiertagen im Jahr - weil jeder jeden Feiertag feierte. Dass sich dort später ein Bürgerkrieg entwickeln würde, war nicht am Ansatz absehbar.

DFB.de: Mit welchem Auftrag waren Sie dort?

Pape: Mit dem gleichen wie fast überall: die Nationalmannschaft trainieren. Und Trainer ausbilden. Das war für mich im Grunde der wichtigere Auftrag. Denn schließlich wollte ich in den Ländern jeweils etwas Bleibendes hinterlassen. Eins muss ich dabei unbedingt sagen: Die Unterstützung aus Deutschland war immer hervorragend. Sei es vom Auswärtigen Amt, vom Innenministerium, der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit oder vom DFB. Mir wurden viele Wünsche erfüllt, ich konnte mich immer an die Heimat wenden, zum Beispiel auch bei der Frage von Lehrmaterialien.

DFB.de: Wie sehr mussten Sie die Unterrichtsinhalte variieren zu denen, mit denen Sie an der Sportschule in Deutschland gearbeitet hatten?

Pape: Gar nicht so sehr. Die größte Umstellung war, die Erwartungshaltung zu drosseln. Meine eigene an die Trainer - vor allem aber die Erwartung meiner Auftraggeber an mich. Ich war oft mit der Situation konfrontiert, dass die Menschen Bayern München kannten, oder den HSV und sie nun glaubten, dass ein deutscher Trainer das Niveau des Fußballs im jeweiligen Land schnell auf dieses Level bringen könne. Oft habe ich gleich zu Beginn klarzumachen versucht, dass Bayern München und der HSV nicht der deutsche Fußball sind. Meist habe ich Fragezeichen in den Gesichtern geerntet. Es hat mitunter eine Weile gedauert, bis die Menschen begriffen haben, dass die Stärke des deutschen Fußballs aus den 20.000 Amateurvereinen resultiert. Aus den vielen Ehrenamtlichen, aus den Zeugwarten, aus den Betreuern, aus den engagierten Eltern, aus den Jugendtrainern. Aus der Breite entsteht die Spitze - es war oft ein langer Prozess, dies in die Köpfe zu bekommen.

DFB.de: Ihre letzten Langzeitprojekte waren Thailand und Tansania. 2003 war endgültig Schluss mit dem Abenteuer im Ausland. Wie schwer war es für Sie, dieses Leben aufzugeben?

Pape: Mir ist es nicht leicht gefallen, ich fühlte mich noch jung und frisch. Obwohl ich damals biologisch ja auch schon 71 Jahre alt war. Geholfen hat mir, dass ich auch in Deutschland im Fußball arbeiten konnte. Als ich wieder zu Hause war, kam der Vereinsvorsitzende des SV Pullach auf mich zu und hat gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ehrenamtlich als Trainer im Verein tätig zu sein. Klar konnte ich das. Das mache ich nun schon seit Jahren – und habe immer noch Riesenspaß daran.

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DFB.de: Sie haben in mehr als 30 Ländern für den Fußball gearbeitet. Langzeitprojekte hatten Sie in Sierra Leone, Uganda, Ägypten, Papua Neuguinea und Tuvalu, Sri Lanka, Indonesien, Thailand und Tansania. Wenn Sie Ihre Lieblingsstation wählen müssten, dann wäre das …

Pape: Puh, das ist schwer. Wenn ich mich festlegen muss, dann ist es doch Uganda. Aus vielen Gründen, auch weil wir sportlich so erfolgreich waren. Wir waren vier Mal Westafrikameister. Ich konnte dort wirklich viel bewegen, das habe ich ja schon beschrieben. Und vom Land her ist Uganda einmalig. Damals habe ich mit meiner Frau oft drüber gesprochen, dass man hier seinen Ruhestand verbringen könnte. Ein Haus am Viktoriasee, das wäre etwas. In einer halben Stunde ist man am Kilimandscharo. Das Land hat so viel Zauber und so viele Möglichkeiten. Aber eigentlich sind alle meine Stationen meine Lieblingsstationen, es ist ganz schwer zu werten, weil ich überall großartige Menschen kennen gelernt habe und mit jeder Station überragende Erinnerungen verbinde.

DFB.de: Ihretwegen wurden Parlamentssitzungen unterbrochen, Sie gingen bei den Mächtigen ein und aus, sie wurden von Hundertausenden gefeiert. Sie haben in der ganzen Welt ganz viel Veränderung bewirkt. Wie sehr fehlt es Ihnen, Bedeutung zu haben?

Pape: Mein Wirkungskreis ist jetzt ein anderer. Aber ich glaube, dass ich sehr wohl noch etwas bewirke. Bei den Kindern in Pullach, bei meinen Spielern. Und ich bin nicht so eitel, dass ich im Licht stehen muss. Ich hatte meine Zeit, sie war unglaublich intensiv und schön. Aber jetzt ist es gut so wie es ist. Ich kann meine Grenzen auch gut einschätzen. Ich blicke ohne Wehmut und voller Stolz auf phantastische Jahrzehnte zurück. Ich würde meinen Lebensweg genauso noch einmal beschreiten. Ich habe nichts falsch gemacht, als ich mich vor 50 Jahren für das große Abenteuer entschieden habe.

DFB.de: Vor der Abreise nach Sierra Leone hatten Sie noch einen Termin im Außenministerium bei Willy Brandt. Wie kam es dazu?

Pape: Zwischen unseren Familien gibt es eine freundschaftliche Verbindung. Wir haben uns ein wenig unterhalten, er hat mir viel Glück gewünscht. Er hat mich dann mit einem einzigen Ratschlag auf die Reise geschickt, eigentlich war es ein Befehl.

DFB.de: Nämlich?

Pape: Machen Sie bloß keinen Mist!

DFB.de: Sie haben den Rat befolgt.

Pape: Ich glaube, das kann ich sagen. Ja, mit 100 Prozent.