Köpke: "Olympique ist für die Fans eine Religion"

Europameister 1996, Welttorhüter 1996 - keine Frage, für Andreas Köpke war 1996 ein erfolgreiches Jahr. Für den heutigen Bundestorwarttrainer ging es nach der EM in England ins Ausland. Bei Olympique Marseille hat er zweieinhalb Jahre verbracht - eine Zeit, die er heute als die schönste seiner Karriere bezeichnet.

Vor dem Hinspiel im Viertelfinale der Champions League zwischen seinem Ex-Klub Olympique Marseille und dem letzten deutschen Vertreter Bayern München am Mittwoch (ab 20.45 Uhr, live bei Sky und Sat.1) werden bei ihm Erinnerungen wach. Mit Redakteur Steffen Lüdeke hat sich der 50-Jährige darüber im DFB.de-Interview unterhalten.

DFB.de: Herr Köpke, Sie sind nach der EURO 1996 nach Marseille gewechselt. Warum haben Sie sich für ausgerechnet für "OM" entschieden?

Andreas Köpke: Es war damals so, dass kurz zuvor mein Wechsel zum FC Barcelona geplatzt war. Dann kam das Angebot aus Marseille, und natürlich habe ich mich über den Verein informiert. Ich war dann ziemlich schnell begeistert von "OM" und überzeugt davon, dass dieser Schritt für mich der richtige ist.

DFB.de: Wie schnell haben Sie sich im neuen Umfeld zu Recht gefunden, auch sprachlich? Hat Ihnen Ihr Schulfranzösisch noch geholfen?

Köpke: Als ich dort ankam, habe ich fast kein Wort Französisch gesprochen. Die ganze Familie nicht. Aber wir haben sofort einen Privatlehrer genommen, der uns zweimal in der Woche zu Hause Unterricht gegegeben hat. Wir alle haben überraschend schnell gelernt. Das ist natürlich enorm wichtig, wenn man in einem fremden Land lebt und sich nicht nur auf dem Sportplatz, sondern auch im Alltag gut zurechtfinden will. Und wenn man dann erst mal halbwegs die neue Sprache spricht und die Hemmungen überwunden hat, sie etwa im Gespräch mit den Mannschaftskollegen zu nutzen, ergibt sich der Rest fast von alleine.

DFB.de: Auch innerhalb der Mannschaft wurde nur Französisch gesprochen?

Köpke: Nein. Viele Spieler konnten Englisch, das war gerade zu Beginn hilfreich. Für mich war außerdem gut, dass Jordan Letschkow zum Kader gehört hat, mit ihm konnte ich Deutsch reden. Er hat bei der Integration geholfen, aber generell haben es das Team und der Verein den neuen Spielern sehr leicht gemacht. Ich habe mich dort sehr schnell sehr wohl gefühlt.



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Europameister 1996, Welttorhüter 1996 - keine Frage, für Andreas Köpke war 1996 ein erfolgreiches Jahr. Für den heutigen Bundestorwarttrainer ging es nach der EM in England ins Ausland. Bei Olympique Marseille hat er zweieinhalb Jahre verbracht - eine Zeit, die er heute als die schönste seiner Karriere bezeichnet.

Vor dem Hinspiel im Viertelfinale der Champions League zwischen seinem Ex-Klub Olympique Marseille und dem letzten deutschen Vertreter Bayern München am Mittwoch (ab 20.45 Uhr, live bei Sky und Sat.1) werden bei ihm Erinnerungen wach. Mit Redakteur Steffen Lüdeke hat sich der 50-Jährige darüber im DFB.de-Interview unterhalten.

DFB.de: Herr Köpke, Sie sind nach der EURO 1996 nach Marseille gewechselt. Warum haben Sie sich für ausgerechnet für "OM" entschieden?

Andreas Köpke: Es war damals so, dass kurz zuvor mein Wechsel zum FC Barcelona geplatzt war. Dann kam das Angebot aus Marseille, und natürlich habe ich mich über den Verein informiert. Ich war dann ziemlich schnell begeistert von "OM" und überzeugt davon, dass dieser Schritt für mich der richtige ist.

DFB.de: Wie schnell haben Sie sich im neuen Umfeld zu Recht gefunden, auch sprachlich? Hat Ihnen Ihr Schulfranzösisch noch geholfen?

Köpke: Als ich dort ankam, habe ich fast kein Wort Französisch gesprochen. Die ganze Familie nicht. Aber wir haben sofort einen Privatlehrer genommen, der uns zweimal in der Woche zu Hause Unterricht gegegeben hat. Wir alle haben überraschend schnell gelernt. Das ist natürlich enorm wichtig, wenn man in einem fremden Land lebt und sich nicht nur auf dem Sportplatz, sondern auch im Alltag gut zurechtfinden will. Und wenn man dann erst mal halbwegs die neue Sprache spricht und die Hemmungen überwunden hat, sie etwa im Gespräch mit den Mannschaftskollegen zu nutzen, ergibt sich der Rest fast von alleine.

DFB.de: Auch innerhalb der Mannschaft wurde nur Französisch gesprochen?

Köpke: Nein. Viele Spieler konnten Englisch, das war gerade zu Beginn hilfreich. Für mich war außerdem gut, dass Jordan Letschkow zum Kader gehört hat, mit ihm konnte ich Deutsch reden. Er hat bei der Integration geholfen, aber generell haben es das Team und der Verein den neuen Spielern sehr leicht gemacht. Ich habe mich dort sehr schnell sehr wohl gefühlt.

DFB.de: Auch in der Stadt? Aus Frankfurt nach Marseille: Wie groß war die Umstellung?

Köpke: Gewaltig, alleine was das Flair angeht. Ich musste mich manchmal kneifen. An der Côte d'Azur scheint fast immer die Sonne, das ganz Leben ist viel entspannter, dort ist jeden Tag Urlaubsstimmung, die Lebensqualität ist viel höher.

DFB.de: Wie groß war die Umstellung, was das Training angeht?

Köpke: Natürlich gab es auch hier Unterschiede. Schon allein, weil wir im Sommer viel später trainiert haben, weil es dann nicht mehr ganz so heiß ist. Außerdem haben wir länger trainiert als in Deutschland, dafür aber meistens nur einmal am Tag. Und wenn wir zweimal am Tag trainiert haben, dann waren wir den gesamten Tag über zusammen. In den Pausen sind wir gemeinsam ins Hotel gegangen, das kannte ich in dieser Form aus Deutschland nicht. Das hat sich in der Bundesliga erst später etabliert. Während des Trainings ist im Vergleich zu dem, was ich aus Deutschland kannte, erheblich mehr im taktischen Bereich gearbeitet worden.

DFB.de: Und das torwartspezifische Training: Gab es auch hier Unterschiede?

Köpke: Ja, aber keine großen. Wir haben damals schon mehr Wert auf die fußballerischen Dinge gelegt. Die Torhüter waren sehr in die taktischen Schulungen der Mannschaft eingebunden. Das Spiel in der französischen Liga war anders als in der Bundesliga. Die Spieler waren technisch besser ausgebildet, jeder wollte den Ball haben, jeder wollte sich ins Spiel einbringen. Auch daran musste ich mich gewöhnen, ich hatte auf einmal ganz viele Anspielstationen.

DFB.de: Das sportliche Niveau innerhalb des Kaders war höher, als Sie dies aus Nürnberg und Frankfurt gewöhnt waren.

Köpke: Wir hatten eine technisch und spielerisch sehr starke Mannschaft, die in meinem zweiten Jahr bei "OM" um die Meisterschaft gespielt hat. Marseille ist damals aus der zweiten Liga aufgestiegen und dann mit vielen fantastischen Spielern verstärkt worden. Ich habe mit dem heutigen französischen Nationaltrainer Laurent Blanc zusammengespielt, Fabrizio Ravanelli, Claude Makelele, Christophe Dugarry, William Gallas, Seydou Keita. Alles große Namen, sie haben eine tolle Entwicklung genommen und können heute auf große Spielerkarrieren zurückblicken. Es hat wahnsinnig viel Spaß gemacht, wir hatten wirklich eine tolle Mannschaft.

DFB.de: Bezeichnen Sie die zweieinhalb Jahre in Marseille auch deswegen als die schönste Zeit in Ihrer Karriere?

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Köpke: Ja, aus sportlichen Gründen, vor allem aber, was das Menschliche und das Drumherum angeht. Wenn man in Marseille spielt, merkt man, dass Olympique für seine Fans eine Religion ist. Die Anhänger leben Fußball, Niederlagen des Teams sind für sie persönliche Niederlagen. Der positive Fanatismus war für mich sehr beeindruckend. Und das Leben in Südfrankreich insgesamt war einfach extrem angenehm, wir als Familie haben uns dort heimisch gefühlt. Wir haben in Marseille viele Freunde gefunden, mit vielen von ihnen habe ich noch immer Kontakt. Überhaupt ist meine Verbindung nach Frankreich noch immer groß, und wir sind dort auch privat noch oft zu Besuch.

DFB.de: Wenn Sie in Marseille sind, gehen Sie dann auch ins Stadion?

Köpke: Ich gehe hin und wieder zum Verein und schaue mir das Training an. Es ist immer wieder schön, dort bekannte Gesichter zu sehen. Aus dem Betreuerstab sind noch einige bei Olympique, die auch schon vor 13 Jahren dort gewesen sind.

DFB.de: Rudi Völler hat sich sehr angetan über die Begeisterung geäußert, die ihm in Marseille noch immer entgegenschlägt. Wie reagieren die Olympique-Fans heute auf Andreas Köpke?

Köpke: Ich erlebe das ähnlich. Ich bin ja der vierte oder fünfte Deutsche, der für Marseille aufgelaufen ist. Und alle haben sich in die Herzen der Fans gespielt. Wer dort einmal angekommen ist, steht bei ihnen immer hoch im Kurs. Zum Glück gilt das auch für mich.

DFB.de: Was haben Sie gedacht, als Sie vom Los FC Bayern gegen Marseille erfahren haben?

Köpke: Mein Sohn hat schon vorher gehofft, dass es zu dieser Paarung kommen würde. Er hat noch immer einen sehr aktiven Bezug zum Verein und informiert sich ganz genau, wie Olympique spielt und was im Verein passiert. Er hat sich deshalb sehr über dieses Los gefreut - und ich mich natürlich auch. Ich hatte mich schon zuvor über die Konstellation mit Dortmund und Marseille in der Gruppenphase der Champions League gefreut. Spiele zwischen Olympique und Teams aus Deutschland sind für mich immer etwas Besonderes.

DFB.de: Wie schätzen Sie Marseille sportlich ein? In der Champions League haben Sie in der Vorrunde zweimal gegen Dortmund gewonnen, im Viertelfinale hat sich das Team gegen Inter Mailand durchgesetzt. Aber in der Liga in Frankreich läuft es gar nicht.

Köpke: Sie haben Verletzungsprobleme, ihr Kader ist von der Anzahl der Spieler eher dünn besetzt. Und dennoch muss man national mehr von der Mannschaft erwarten können, gerade die Ergebnisse in der jüngeren Vergangenheit waren enttäuschend. So wie es aktuell aussieht, werden sie sogar Schwierigkeiten haben, sich für die Europa League zu qualifizieren. Es kann also gut sein, dass sie im kommenden Jahr in Europa gar nicht vertreten sind, denn es ist nicht davon auszugehen, dass sie die Champions League gewinnen.

DFB.de: Für die Bayern hätte es also schlimmer kommen können.

Köpke: Ganz klar. Barcelona und Madrid waren im Topf, auch der AC Mailand. Olympique Marseille ist keine leichte Aufgabe, aber man muss ehrlich sein und sagen, dass das für die Bayern machbar ist. Unterschätzen sollte man "OM" jedoch nicht. Ein Team, das Inter aus dem Wettbewerb geworfen hat, muss man ernst nehmen. In dieser Saison hat Marseille bewiesen, dass sich das Team für die Champions League immer ganz besonders motivieren kann. Dortmund hat das erlebt, Bayern sollte also gewarnt sein.