Helmers Rat an Götze: "Gleich ein Tor machen, dann ist Ruhe"

34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014. Heute berichtet Europameister Thomas Helmer (48) über seine Erlebnisse im Duell seiner Ex-Klubs Bayern München und Borussia Dortmund und zieht Parallelen zur Gegenwart - der historische Erlebnisbericht.

"So sehr ich mich auf das Spiel freue, bedauere ich die zahlreichen Ausfälle, gerade bei der Borussia. Es wäre natürlich schöner, wenn sich die beiden besten Teams auf Augenhöhe begegnen würden. Zu meiner Zeit war es auch nicht immer ein Duell auf Augenhöhe, Dortmund hat ja 1986 beispielsweise noch in der Relegation um den Klassenerhalt gespielt. Von daher war es in den Achtzigern und Neunzigern auch kein Klassiker, zu dem die Paarung jetzt geworden ist. Ich habe eigentlich alle Konstellationen erlebt, mit Dortmund in München und mit München in Dortmund gewonnen.

Da komme ich auch zu meinem Lieblingsspiel unter den 22 Duellen dieser Klubs, die ich bestritten habe. Es war der 25. September 1992, meine erste Rückkehr ins Westfalenstadion. Ich war in der Situation, in der Mario Götze am Samstag auch ist. Auch um meinen Wechsel nach München hatte es einigen Wirbel gegeben. Ich bin mit sehr gemischten Gefühlen nach Dortmund gefahren, der Druck war riesengroß. Man fühlt sich schon ein bisschen allein, und da können dir die Mitspieler auch nicht groß helfen.

"Aus alter Gewohnheit auf der falschen Seite warmgemacht"

Dann habe ich mich auch noch aus alter Gewohnheit auf der falschen Seite warmgemacht statt vor dem Bayern-Block. Da bekam ich natürlich einiges zu hören, es gab "Judas"-Rufe - aber zum Glück wurde damals noch nicht mit Bananen geworfen wie später immer auf unseren Oliver Kahn.

Dann habe ich das Beste gemacht, was man wohl machen kann, um Ruhe zu bekommen. Ich habe gleich das 1:0 geköpft - übrigens mein einziges Tor in diesen Duellen. Das 2:0 von Oliver Kreuzer habe ich auch noch vorbereitet, im kicker habe ich eine 1 bekommen - selten genug. Wir haben 2:1 gewonnen. Mein Rat an Mario Götze: gleich ein Tor machen, dann ist Ruhe. Aber das ist natürlich leicht gesagt.

1999: Kung-Fu und Aufholjagd mit Biss

Im Gedächtnis ist mir auch noch besonders das Spiel sieben Jahre später geblieben. Wir fuhren im April 1999 als Tabellenführer nach Dortmund und lagen zur Pause schon 0:2 zurück, außerdem waren wir nach Sammy Kuffours Platzverweis ein Mann weniger. Ottmar Hitzfeld war in der Pause stinksauer und wollte wohl am liebsten alle auswechseln. Aber dann haben Carsten Jancker und Alexander Zickler noch getroffen - und weil Olli Kahn einen Elfmeter von Lars Ricken hielt, haben wir 2:2 gespielt.

Es war das Spiel, in dem der Olli so ein bisschen Amok lief mit seinem Kung-Fu-Tritt gegen Chapuisat und seinem angedeuteten Biss gegen Heiko Herrlich. Er wird immer falsch dargestellt, im Trainingslager haben wir sehr viel Spaß mit ihm gehabt. Aber auf dem Platz war er eben sehr ehrgeizig. Nach dem Spiel - ich werde es nie vergessen, weil es so selten vorkam -, hat Ottmar Hitzfeld Thomas Linke und mir, also beiden Innenverteidigern, im Bus zu unserer guten Leistung gratuliert.

Bayern- und BVB-Blöcke 1996: Einigkeit und EM-Titel

Zwischen diesen Spielen lagen bekanntlich die beiden Meisterjahre des BVB 1995 und 1996. Die damalige BVB-Mannschaft muss sich von den Namen her hinter der aktuellen nicht verstecken. Mit Andreas Möller, Steffen Freund, Jürgen Kohler und natürlich Matthias Sammer hatte sie Persönlichkeiten, die auch in der Nationalmannschaft prägend waren. Das ist vielleicht der Unterschied zu heute.

In diesen Jahren war die Rivalität zwischen den Klubs schon sehr ausgeprägt, gerade wenn es dann auch zur Nationalmannschaft ging, die wie heute wesentlich aus München und Dortmund bestückt wurde. Da hat jeder Block versucht, sich stark zu positionieren, und man hat schon geguckt: Warum spielt der und nicht der? Aber bei der EM 1996 gab es Einigkeit, wie ich sie selten erlebt habe. Und so wurden wir Europameister.

Wenn die Bayern am Samstag gewinnen, hätten sie sieben Punkte Vorsprung. Und sie machen nicht den Eindruck, dass sie mal wackeln könnten. Da ich für beide Klubs gespielt habe und Sympathien hege, kann ich da ganz entspannt zugucken: Ich kann nicht verlieren. Ganz so entspannt auch wieder nicht, meine Tochter wird sechs, bei mir zu Hause ist Kindergeburtstag. In Dortmund sicher nicht..."

Thomas Helmer bestritt in der Bundesliga 390 Spiele und wurde 1996 Europameister. Für den BVB war er zwischen 1986 und 1992 genau 190-mal im Einsatz, für die Bayern von 1992 bis 1999 exakt 191-mal. Die restlichen Partien bestritt er für Arminia Bielefeld und Hertha BSC. Heute arbeitet er als Moderator für Sport1.

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34 Spieltage, 34 besondere Begegnungen, 34 Zeitzeugen. Auf DFB.de erinnern sich prägende Figuren der Bundesligageschichte an ganz spezielle Duelle, passend zum jeweils aktuellen Spieltag der Saison 2013/2014. Heute berichtet Europameister Thomas Helmer (48) über seine Erlebnisse im Duell seiner Ex-Klubs Bayern München und Borussia Dortmund und zieht Parallelen zur Gegenwart - der historische Erlebnisbericht.

"So sehr ich mich auf das Spiel freue, bedauere ich die zahlreichen Ausfälle, gerade bei der Borussia. Es wäre natürlich schöner, wenn sich die beiden besten Teams auf Augenhöhe begegnen würden. Zu meiner Zeit war es auch nicht immer ein Duell auf Augenhöhe, Dortmund hat ja 1986 beispielsweise noch in der Relegation um den Klassenerhalt gespielt. Von daher war es in den Achtzigern und Neunzigern auch kein Klassiker, zu dem die Paarung jetzt geworden ist. Ich habe eigentlich alle Konstellationen erlebt, mit Dortmund in München und mit München in Dortmund gewonnen.

Da komme ich auch zu meinem Lieblingsspiel unter den 22 Duellen dieser Klubs, die ich bestritten habe. Es war der 25. September 1992, meine erste Rückkehr ins Westfalenstadion. Ich war in der Situation, in der Mario Götze am Samstag auch ist. Auch um meinen Wechsel nach München hatte es einigen Wirbel gegeben. Ich bin mit sehr gemischten Gefühlen nach Dortmund gefahren, der Druck war riesengroß. Man fühlt sich schon ein bisschen allein, und da können dir die Mitspieler auch nicht groß helfen.

"Aus alter Gewohnheit auf der falschen Seite warmgemacht"

Dann habe ich mich auch noch aus alter Gewohnheit auf der falschen Seite warmgemacht statt vor dem Bayern-Block. Da bekam ich natürlich einiges zu hören, es gab "Judas"-Rufe - aber zum Glück wurde damals noch nicht mit Bananen geworfen wie später immer auf unseren Oliver Kahn.

Dann habe ich das Beste gemacht, was man wohl machen kann, um Ruhe zu bekommen. Ich habe gleich das 1:0 geköpft - übrigens mein einziges Tor in diesen Duellen. Das 2:0 von Oliver Kreuzer habe ich auch noch vorbereitet, im kicker habe ich eine 1 bekommen - selten genug. Wir haben 2:1 gewonnen. Mein Rat an Mario Götze: gleich ein Tor machen, dann ist Ruhe. Aber das ist natürlich leicht gesagt.

1999: Kung-Fu und Aufholjagd mit Biss

Im Gedächtnis ist mir auch noch besonders das Spiel sieben Jahre später geblieben. Wir fuhren im April 1999 als Tabellenführer nach Dortmund und lagen zur Pause schon 0:2 zurück, außerdem waren wir nach Sammy Kuffours Platzverweis ein Mann weniger. Ottmar Hitzfeld war in der Pause stinksauer und wollte wohl am liebsten alle auswechseln. Aber dann haben Carsten Jancker und Alexander Zickler noch getroffen - und weil Olli Kahn einen Elfmeter von Lars Ricken hielt, haben wir 2:2 gespielt.

Es war das Spiel, in dem der Olli so ein bisschen Amok lief mit seinem Kung-Fu-Tritt gegen Chapuisat und seinem angedeuteten Biss gegen Heiko Herrlich. Er wird immer falsch dargestellt, im Trainingslager haben wir sehr viel Spaß mit ihm gehabt. Aber auf dem Platz war er eben sehr ehrgeizig. Nach dem Spiel - ich werde es nie vergessen, weil es so selten vorkam -, hat Ottmar Hitzfeld Thomas Linke und mir, also beiden Innenverteidigern, im Bus zu unserer guten Leistung gratuliert.

Bayern- und BVB-Blöcke 1996: Einigkeit und EM-Titel

Zwischen diesen Spielen lagen bekanntlich die beiden Meisterjahre des BVB 1995 und 1996. Die damalige BVB-Mannschaft muss sich von den Namen her hinter der aktuellen nicht verstecken. Mit Andreas Möller, Steffen Freund, Jürgen Kohler und natürlich Matthias Sammer hatte sie Persönlichkeiten, die auch in der Nationalmannschaft prägend waren. Das ist vielleicht der Unterschied zu heute.

In diesen Jahren war die Rivalität zwischen den Klubs schon sehr ausgeprägt, gerade wenn es dann auch zur Nationalmannschaft ging, die wie heute wesentlich aus München und Dortmund bestückt wurde. Da hat jeder Block versucht, sich stark zu positionieren, und man hat schon geguckt: Warum spielt der und nicht der? Aber bei der EM 1996 gab es Einigkeit, wie ich sie selten erlebt habe. Und so wurden wir Europameister.

Wenn die Bayern am Samstag gewinnen, hätten sie sieben Punkte Vorsprung. Und sie machen nicht den Eindruck, dass sie mal wackeln könnten. Da ich für beide Klubs gespielt habe und Sympathien hege, kann ich da ganz entspannt zugucken: Ich kann nicht verlieren. Ganz so entspannt auch wieder nicht, meine Tochter wird sechs, bei mir zu Hause ist Kindergeburtstag. In Dortmund sicher nicht..."

Thomas Helmer bestritt in der Bundesliga 390 Spiele und wurde 1996 Europameister. Für den BVB war er zwischen 1986 und 1992 genau 190-mal im Einsatz, für die Bayern von 1992 bis 1999 exakt 191-mal. Die restlichen Partien bestritt er für Arminia Bielefeld und Hertha BSC. Heute arbeitet er als Moderator für Sport1.