Günter Netzer feierte Dienstag seinen 60. Geburtstag

Er gilt als einer der besten deutschen Spielmacher aller Zeiten, war Europameister und gehörte zum deutschen Weltmeister-Kader von 1974. Günter Netzer, auch nach seiner aktiven Zeit und trotz seines Wohnsitzes in Zürich weiter eine schillernde Figur im deutschen Fußball, feierte am Dienstag seinen 60. Geburtstag.

Der einstige "Rebell am Ball" blickte den Feierlichkeiten im Vorfeld weitgehend nüchtern entgegen. "Dieser Tag ist für mich kein Schreckgespenst", sagte Netzer dem Sport-Informations-Dienst (sid): "Er wird auch keinen Wendepunkt in meinem Leben markieren."

Zwei Wendepunkte in Netzers Leben

Wendepunkte gab es eigentlich nur zwei in seinem Leben. Das Ende seiner Spieler-Karriere 1977 bei Grasshopper Zürich und das Ende seiner Laufbahn als Manager des Hamburger SV 1986. "Als ich nach meiner aktiven Zeit eine Beschäftigung suchte, mit der ich das Leben auf meinem Niveau weiter führen könnte, wusste ich nicht, wie es weitergehen sollte."

Nachdem er zu seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach die heute noch existierende Stadionzeitung "Fohlenecho" herausgegeben hatte ("Das war ein Zubrot für mich, denn die in München verdienten damals schon das Drei- bis Vierfache"), bot Netzer 1977 dem HSV an, die Stadionzeitung zu verlegen. Präsident Paul Benthien stimmte zu, aber nur unter der Bedingung, dass er auch Manager werde. Netzer: "Es ist wohl eine meiner Stärken, Chancen richtig zu erkennen, sie zu analysieren und - wenn sie gut sind - auch zu nutzen."

Er holte Branco Zebec zum HSV, später Ernst Happel und Franz Beckenbauer als Spieler. Auch Erfolg war da. Dann, plötzlich, aber der Schlussstrich. "Ich fühlte, dass ich keinen Platz mehr in der Welt des Fußballs hatte. Ich hatte die Manager-Zeit intensiv erlebt, durchlebt, hatte mich aufgerieben. Und dann wollten die Spieler Gehälter, von denen ich wusste, ich kriege sie nicht hin, und ich konnte vor Sorgen manchmal nicht schlafen. Diese Entwicklung wollte ich nicht mittragen", sagt Netzer rückblickend.

Kein Platz mehr in der Welt des Fußballs... Das stimmt so natürlich nicht. Netzer wechselte in die Welt der Geschäftemacher. Erst für den Familienbetrieb Lüthi (CWL), jetzt als Geschäftsführender Gesellschafter der Firma Infront. Das bedeutet Verhandlungen, hinter den Kulissen, in Bürotürmen, Hotel-Lobbys oder Restaurants. Ins Rampenlicht tritt Netzer fünf- bis sechsmal pro Jahr und bei Turnieren für die ARD, wenn er Länderspiele seziert. Wenn er, die Schultern leicht nach vorne gezogen, die Frisur fast noch so wie vor 40 Jahren, ein wenig kürzer nur, die Leistungen von Ballack und Co. analysiert, dann blitzt manchmal in den Worten noch etwas vom alten Rebellentum auf, wenn er immer wieder einmal eine kontroverse These in den Raum stellt.

"Rebell am Ball"

"Rebell am Ball - der Titel war vielleicht zu viel der Ehre für mich. Ich habe nur damals schon häufig dem Trainer widersprochen, was seinerzeit sehr ungewöhnlich war." Das letzte Mal so richtig rebelliert hat er zu seiner Zeit bei Real Madrid. Dort mussten die Spieler ihre Pässe abgeben, durften sich nur in einem Umkreis von 30 Kilometern bewegen. Sein Freund, der Regisseur Michael Pfleghar, "verdonnerte" ihn aber dazu, an einem spielfreien Wochenende an der Hochzeit von Tina Sinatra teilzunehmen. Frank Sinatra gab in Las Vegas sein Comeback nach Jahren des Schmollens, und Netzer saß mit Dean Martin, Sammy Davis Junior, Neil Diamond und anderen am Ehrentisch - er hatte sich über die deutsche Botschaft einen zweiten Pass besorgt.

Die Frau seines Zimmergenossen war Sängerin, und als das Ereignis eine Woche später in Spanien ausgestrahlt wurde, sagte sie: "Da saß einer, der sah aus wie Günter Netzer." - "Nicht möglich", sagte der Zimmergenosse. Netzer ist heute noch sein Freund: "Die hätten mich rausgeschmissen."

Netzer ist, was er ist, natürlich über seine Leistung als Fußballer geworden. Junge Fans kennen ihn kaum noch, kennen nicht seine sportliche Rivalität als "Nummer 10" mit Wolfgang Overath, dem heutigen Präsidenten des 1. FC Köln. Zu ihrer Zeit waren die beiden wie Michel Platini, Diego Maradona, Zinedine Zidane - die wahren "Nummer 10", die Spielmacher, die ihre "Wasserträger" (Herbert Wimmer, Heinz Flohe) hatten.

Unvergesslich sein Siegtor für Mönchengladbach beim Pokalfinale 1973 eben gegen Köln und Overath, nachdem er sich im letzten Spiel vor dem Wechsel nach Madrid über Trainer Hennes Weisweiler hinweg buchstäblich selbst eingewechselt hatte. Netzer: "Das hätte ein Regisseur schreiben müssen, und niemand hätte es ihm als Film geglaubt. Dass heute noch dieses Tor gezeigt wird, über 30 Jahre später - das habe ich nicht verdient. Denn unser bestes Spiel war ein ganz anderes."

"Unser" - der "Lange" denkt heute noch an Heynckes, Vogts und Co.: "Trainer hätte ich nie werden können. Diese Geduld, Tag für Tag Menschen zu zeigen, wie es geht... Das kann ich nicht."

7:1 gegen Inter war das beste Spiel

Was also war das beste Spiel? Netzer: "Das 7:1 gegen Inter Mailand." Ein Spiel, das nur 20.000 Zuschauer haben sehen können, weil der Bökelberg umgebaut wurde. Ein Spiel, das nicht im Fernsehen übertragen wurde, weil Manager Grashoff und der WDR sich nicht haben einigen können, ob im Honorar von damals 60.000 Mark die sieben Prozent Mehrwertsteuer inbegriffen waren oder nicht. Ein Spiel, das wegen des Büchsenwurfes gegen einen Herrn namens Roberto Boninsegna offiziell nie stattgefunden hat. So ist er, Günter Netzer: Immer im Schatten, aber immer präsent. Und im Rampenlicht sehr rar. [ar]


[bild2]Er gilt als einer der besten deutschen Spielmacher aller Zeiten, war Europameister und gehörte zum deutschen Weltmeister-Kader von 1974. Günter Netzer, auch nach seiner aktiven Zeit und trotz seines Wohnsitzes in Zürich weiter eine schillernde Figur im deutschen Fußball, feierte am Dienstag seinen 60. Geburtstag.



Der einstige "Rebell am Ball" blickte den Feierlichkeiten
im Vorfeld weitgehend nüchtern entgegen. "Dieser Tag ist für mich kein Schreckgespenst", sagte Netzer dem Sport-Informations-Dienst (sid): "Er wird auch keinen Wendepunkt in meinem Leben markieren."



Zwei Wendepunkte in Netzers Leben



Wendepunkte gab es eigentlich nur zwei in seinem Leben. Das
Ende seiner Spieler-Karriere 1977 bei Grasshopper Zürich und das
Ende seiner Laufbahn als Manager des Hamburger SV 1986. "Als ich
nach meiner aktiven Zeit eine Beschäftigung suchte, mit der ich das Leben auf meinem Niveau weiter führen könnte, wusste ich nicht, wie es weitergehen sollte."



Nachdem er zu seiner Zeit bei Borussia Mönchengladbach die
heute noch existierende Stadionzeitung "Fohlenecho" herausgegeben hatte ("Das war ein Zubrot für mich, denn die in München verdienten damals schon das Drei- bis Vierfache"), bot Netzer 1977 dem HSV an, die Stadionzeitung zu verlegen. Präsident Paul Benthien stimmte zu, aber nur unter der Bedingung, dass er auch Manager werde. Netzer: "Es ist wohl eine meiner Stärken, Chancen richtig zu erkennen, sie zu analysieren und - wenn sie gut sind - auch zu nutzen."



Er holte Branco Zebec zum HSV, später Ernst Happel und Franz
Beckenbauer als Spieler. Auch Erfolg war da. Dann, plötzlich, aber der Schlussstrich. "Ich fühlte, dass ich keinen Platz mehr in der Welt des Fußballs hatte. Ich hatte die Manager-Zeit intensiv erlebt, durchlebt, hatte mich aufgerieben. Und dann
wollten die Spieler Gehälter, von denen ich wusste, ich kriege sie nicht hin, und ich konnte vor Sorgen manchmal nicht schlafen. Diese Entwicklung wollte ich nicht mittragen", sagt Netzer rückblickend.



Kein Platz mehr in der Welt des Fußballs... Das stimmt so
natürlich nicht. Netzer wechselte in die Welt der Geschäftemacher. Erst für den Familienbetrieb Lüthi (CWL), jetzt als Geschäftsführender Gesellschafter der Firma Infront. Das bedeutet Verhandlungen, hinter den Kulissen, in
Bürotürmen, Hotel-Lobbys oder Restaurants. Ins Rampenlicht tritt
Netzer fünf- bis sechsmal pro Jahr und bei Turnieren für die ARD, wenn er Länderspiele seziert. Wenn er, die Schultern leicht nach vorne gezogen, die Frisur fast noch so wie vor 40 Jahren, ein wenig kürzer nur, die Leistungen von Ballack und Co. analysiert, dann blitzt manchmal in den Worten noch etwas vom alten Rebellentum auf, wenn er immer wieder einmal eine kontroverse These in den Raum stellt.



"Rebell am Ball"



"Rebell am Ball - der Titel war vielleicht zu viel der Ehre
für mich. Ich habe nur damals schon häufig dem Trainer widersprochen, was seinerzeit sehr ungewöhnlich war." Das letzte Mal so richtig rebelliert hat er zu seiner Zeit bei Real Madrid. Dort mussten die Spieler ihre Pässe abgeben, durften sich nur in einem Umkreis von 30 Kilometern bewegen. Sein Freund, der Regisseur Michael Pfleghar, "verdonnerte" ihn aber dazu, an einem spielfreien Wochenende an der Hochzeit von Tina Sinatra teilzunehmen. Frank Sinatra gab in Las Vegas sein Comeback nach Jahren des Schmollens, und Netzer saß mit Dean Martin, Sammy Davis Junior, Neil Diamond und anderen am Ehrentisch - er hatte sich über die deutsche Botschaft einen zweiten Pass besorgt.



Die Frau seines Zimmergenossen war Sängerin, und als das
Ereignis eine Woche später in Spanien ausgestrahlt wurde, sagte
sie: "Da saß einer, der sah aus wie Günter Netzer." - "Nicht
möglich", sagte der Zimmergenosse. Netzer ist heute noch sein
Freund: "Die hätten mich rausgeschmissen."



Netzer ist, was er ist, natürlich über seine Leistung als
Fußballer geworden. Junge Fans kennen ihn kaum noch, kennen nicht seine sportliche Rivalität als "Nummer 10" mit Wolfgang Overath, dem heutigen Präsidenten des 1. FC Köln. Zu ihrer Zeit waren die beiden wie Michel Platini, Diego Maradona, Zinedine Zidane - die wahren "Nummer 10", die Spielmacher, die ihre "Wasserträger" (Herbert Wimmer, Heinz Flohe) hatten.



[bild1]Unvergesslich sein Siegtor für Mönchengladbach beim
Pokalfinale 1973 eben gegen Köln und Overath, nachdem er sich im
letzten Spiel vor dem Wechsel nach Madrid über Trainer Hennes
Weisweiler hinweg buchstäblich selbst eingewechselt hatte. Netzer: "Das hätte ein Regisseur schreiben müssen, und niemand hätte es ihm als Film geglaubt. Dass heute noch dieses Tor gezeigt wird, über 30 Jahre später - das habe ich nicht verdient. Denn unser bestes Spiel war ein ganz anderes."



"Unser" - der "Lange" denkt heute noch an Heynckes, Vogts und
Co.: "Trainer hätte ich nie werden können. Diese Geduld, Tag für
Tag Menschen zu zeigen, wie es geht... Das kann ich nicht."



7:1 gegen Inter war das beste Spiel



Was also war das beste Spiel? Netzer: "Das 7:1 gegen Inter
Mailand." Ein Spiel, das nur 20.000 Zuschauer haben sehen können, weil der Bökelberg umgebaut wurde. Ein Spiel, das nicht im Fernsehen übertragen wurde, weil Manager Grashoff und der WDR sich nicht haben einigen können, ob im Honorar von damals 60.000 Mark die sieben Prozent Mehrwertsteuer inbegriffen waren oder nicht. Ein Spiel, das wegen des Büchsenwurfes gegen einen Herrn namens Roberto Boninsegna offiziell nie stattgefunden hat. So ist er, Günter Netzer: Immer im Schatten, aber immer präsent. Und im Rampenlicht sehr rar.