Freund über das Duell mit England: "Das ist Kult"

Wenn Steffen Freund über England, die Premier League oder Londoner Fußballderbys spricht, merkt man: Der Mann fühlt sich wohl auf der Insel. Schon als Spieler war er zwischen 1999 und 2003 für Tottenham Hotspurs am Ball. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere und den ersten Erfahrungen als U-Trainer beim DFB ist er nun seit Juli 2012 wieder bei den "Spurs", als Co-Trainer von Teammanager Andre Villas-Boas.

Im DFB.de-Interview mit Redakteur Peter Scheffler erzählt der 43-jährige Europameister von 1996 vor dem Duell England gegen Deutschland heute (ab 21 Uhr, live in der ARD) im Wembleystadion, warum London für ihn die Fußballhauptstadt der Welt ist, wie unterschiedlich die Arbeit als Vereins- und Verbandstrainer ist - und dass er sich über jeden deutschen Spieler in Englands Hauptstadt freut, aber über einen nur bedingt.

DFB.de: Herr Freund, nach Ihrer Zeit als Spieler bei den Tottenham Hotspurs sind Sie 2012 als Co-Trainer zurückgekehrt. Was reizt Sie so sehr am englischen Fußball?

Steffen Freund: Ich weiß, viele denken, die Deutschen sind fußballverrückt. Aber in England hat der Fußball noch einen ganz anderen Stellenwert. Absolut jeder hier hat sein Lieblingsteam. Die Dauerkarten werden in der Familie vererbt. Und in London, mit den sechs Erstligisten, ist es noch einmal extremer. Die vielen Derbys, die kurzen Wege, die Stadien mitten in der Stadt - das kann man nicht erklären, das muss man erlebt haben. Ich durfte es als Spieler und freue mich, das jetzt auch als Trainer zu tun. Für mich ist London die Fußball-Hauptstadt der Welt. Ein Teil davon zu sein, ist ein Traum für mich. Wer die Möglichkeit hat, hier zu arbeiten, der sollte das auch tun.

DFB.de: Ist die Premier League für Sie die stärkste Liga der Welt? Immerhin spielten in Ihrer "Fußball-Hauptstadt" vergangene Saison zwei Bundesligisten den Champions-League-Sieger aus.

Freund: Objektiv muss man sich nur die Fünfjahreswertung der UEFA anschauen. Dort steht Spanien vor England und Deutschland. Dazu ist Spanien aktueller Welt- und Europameister. Aber von der individuellen Besetzung der Mannschaften und durch die große Wirtschaftskraft ist für mich die Premier League die stärkste Liga. Letzte Saison haben die Queens Park Rangers als Tabellenletzter noch 35 Millionen Pfund (ca. 41,8 Millionen Euro; Anm. d. Red.) an TV-Einnahmen erhalten. Damit haben sie mehr Geld bekommen als der Tabellenerste der Bundesliga (FC Bayern München mit ca. 36 Millionen Euro; Anm. d. Red.). Diese Summen werden vor allem in Spieler investiert, so dass auch mittelklassige Vereine hochklassige und fertige Fußballer kaufen können.

DFB.de: In den verganenen Jahren wurden diese Summen auch vermehrt in deutsche Spieler investiert. Mit André Schürrle, Per Mertesacker, Lukas Podolski und Mesut Özil stehen allein vier deutsche Nationalspieler bei Vereinen aus London unter Vertrag. Dazu kommen mit Sascha Riether beim FC Fulham, Lewis Holtby bei Ihren Hotspurs und vielen Juniorenspielern noch weitere Landsleute dazu. Gibt es untereinander Kontakt in der "deutschen Kolonie"?

Freund: Letztes Jahr hatte ich mal einen Termin mit Per Mertesacker bei ESPN, aber an sich lässt meine Freizeit das kaum zu. Bei Ligaspielen ist es natürlich schön, auch mal ein, zwei bekannte Gesichter zu sehen und Deutsch zu sprechen. Diese Ansammlung von deutschen Spielern ist schon ein Qualitätsmerkmal, weil in London viele der weltbesten Spieler zu Hause sind. Ich freue mich über jeden, der dazu kommt.



Wenn Steffen Freund über England, die Premier League oder Londoner Fußballderbys spricht, merkt man: Der Mann fühlt sich wohl auf der Insel. Schon als Spieler war er zwischen 1999 und 2003 für Tottenham Hotspurs am Ball. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere und den ersten Erfahrungen als U-Trainer beim DFB ist er nun seit Juli 2012 wieder bei den "Spurs", als Co-Trainer von Teammanager Andre Villas-Boas.

Im DFB.de-Interview mit Redakteur Peter Scheffler erzählt der 43-jährige Europameister von 1996 vor dem Duell England gegen Deutschland heute (ab 21 Uhr, live in der ARD) im Wembleystadion, warum London für ihn die Fußballhauptstadt der Welt ist, wie unterschiedlich die Arbeit als Vereins- und Verbandstrainer ist - und dass er sich über jeden deutschen Spieler in Englands Hauptstadt freut, aber über einen nur bedingt.

DFB.de: Herr Freund, nach Ihrer Zeit als Spieler bei den Tottenham Hotspurs sind Sie 2012 als Co-Trainer zurückgekehrt. Was reizt Sie so sehr am englischen Fußball?

Steffen Freund: Ich weiß, viele denken, die Deutschen sind fußballverrückt. Aber in England hat der Fußball noch einen ganz anderen Stellenwert. Absolut jeder hier hat sein Lieblingsteam. Die Dauerkarten werden in der Familie vererbt. Und in London, mit den sechs Erstligisten, ist es noch einmal extremer. Die vielen Derbys, die kurzen Wege, die Stadien mitten in der Stadt - das kann man nicht erklären, das muss man erlebt haben. Ich durfte es als Spieler und freue mich, das jetzt auch als Trainer zu tun. Für mich ist London die Fußball-Hauptstadt der Welt. Ein Teil davon zu sein, ist ein Traum für mich. Wer die Möglichkeit hat, hier zu arbeiten, der sollte das auch tun.

DFB.de: Ist die Premier League für Sie die stärkste Liga der Welt? Immerhin spielten in Ihrer "Fußball-Hauptstadt" vergangene Saison zwei Bundesligisten den Champions-League-Sieger aus.

Freund: Objektiv muss man sich nur die Fünfjahreswertung der UEFA anschauen. Dort steht Spanien vor England und Deutschland. Dazu ist Spanien aktueller Welt- und Europameister. Aber von der individuellen Besetzung der Mannschaften und durch die große Wirtschaftskraft ist für mich die Premier League die stärkste Liga. Letzte Saison haben die Queens Park Rangers als Tabellenletzter noch 35 Millionen Pfund (ca. 41,8 Millionen Euro; Anm. d. Red.) an TV-Einnahmen erhalten. Damit haben sie mehr Geld bekommen als der Tabellenerste der Bundesliga (FC Bayern München mit ca. 36 Millionen Euro; Anm. d. Red.). Diese Summen werden vor allem in Spieler investiert, so dass auch mittelklassige Vereine hochklassige und fertige Fußballer kaufen können.

DFB.de: In den verganenen Jahren wurden diese Summen auch vermehrt in deutsche Spieler investiert. Mit André Schürrle, Per Mertesacker, Lukas Podolski und Mesut Özil stehen allein vier deutsche Nationalspieler bei Vereinen aus London unter Vertrag. Dazu kommen mit Sascha Riether beim FC Fulham, Lewis Holtby bei Ihren Hotspurs und vielen Juniorenspielern noch weitere Landsleute dazu. Gibt es untereinander Kontakt in der "deutschen Kolonie"?

Freund: Letztes Jahr hatte ich mal einen Termin mit Per Mertesacker bei ESPN, aber an sich lässt meine Freizeit das kaum zu. Bei Ligaspielen ist es natürlich schön, auch mal ein, zwei bekannte Gesichter zu sehen und Deutsch zu sprechen. Diese Ansammlung von deutschen Spielern ist schon ein Qualitätsmerkmal, weil in London viele der weltbesten Spieler zu Hause sind. Ich freue mich über jeden, der dazu kommt.

DFB.de: Auch über Mesut Özil? Schließlich hat sich Arsenal London, Ihr größter Konkurrent in London, mit dem deutschen Spielmacher extrem verstärkt.

Freund: Jein. Es ist toll, den "King of assists" in der Premier League zu sehen. Er hätte sich aber nicht unbedingt Arsenal aussuchen müssen. (lacht)

DFB.de: Lewis Holtby, Ex-Kapitän der U 21, steht wie Sie bei Tottenham unter Vertrag. Wie bewerten Sie seine Entwicklung?

Freund: Lewis hat in seinen ersten Spielen für viel Furore gesorgt. Danach hatte er ein kleines Tief. Nun ist er wieder ganz nah dran an der Stammelf, hat schon acht Assists und neulich seinen ersten Treffer erzielt. Bei unserer Qualität ist es schwer, sich durchzusetzen, aber ich bin sicher, dass er es schafft. Lewis ist ein Spieler mit Herz und unglaublichen Fähigkeiten. Dazu ist er sehr weit in seiner Entwicklung, da er in Deutschland schon früh Führungsaufgaben übernommen hat. Das spürt man. Er denkt viel über Fußball nach und überlegt stets, was das Beste für die Mannschaft ist.

DFB.de: Sie waren vor Ihrer Zeit in London über zwei Jahre Trainer bei der deutschen U 16- und U 17-Nationalmannschaft. Wie schwer ist Ihnen die Umgewöhnung vom Chef zum Assistenten gefallen?

Freund: Das verlief relativ unproblematisch und ist für mich persönlich der logische nächste Schritt in der Entwicklung als Trainer. Ich habe zehn Jahre als Jugendtrainer gearbeitet, davon vier auf allerhöchstem Niveau beim DFB. Danach war für mich klar, dass ich den Trainerberuf in einem Topverein kennenlernen will. Diese Chance habe ich von Tottenham und André Villas-Boas bekommen. Der Unterschied zwischen Vereinstrainer und Verbandstrainer ist aber enorm.

DFB.de: Wo liegen die größten Unterschiede?

Freund: Bei den Nationalmannschaften ist man wochenlang damit beschäftigt, einen Termin vorzubereiten, an dem man dann 24 Stunden am Tag für die Spieler da ist. Ich erinnere mich an unsere tolle U 17-WM 2011. Wir waren 30 Tage lang zusammen in Mexiko. Da ist jeder aus dem Team an die Grenze des Machbaren gegangen. Das waren unglaubliche Erlebnisse. Diese Momente habe ich aufgesaugt.

DFB.de: Und jetzt?

Freund: Jetzt arbeite ich mit fertigen Spielern, formiere alle drei Tage Teams, plane die Saison, bereite Spiele vor und habe stets die Hierarchie im Auge. Hier jagt ein Highlight das nächste. Ich bin total dankbar, beides erlebt zu haben und will keins von beiden missen. Dass ich überhaupt Trainer geworden bin, habe ich vor allem dem DFB und Ex-Sportdirektor Matthias Sammer zu verdanken. Matthias hat mich damals ermutigt, die DFB-Trainerlizenzen zu absolvieren. Von diesen Erfahrungen profitiere ich jetzt. Heute kann ich sagen: "Danke, DFB! Danke, Matthias Sammer!" Nun bin ich der erste deutsche Trainer in der Premier League, wenn auch nur als Co. Das ist schon etwas Besonderes.

DFB.de: Wo sehen Sie ihr künftiges Arbeitsfeld: in Deutschland oder in England? Und eher bei einem Verein oder bei einem Verband?

Freund: Ganz ehrlich: Ich habe in Tottenham für drei Jahre als Co-Trainer unterschrieben und beschäftige mich mit kommenden Aufgaben noch gar nicht. Aktuell ist für mich hier genug zu tun und genug zu lernen, um dann irgendwann den nächsten Schritt zu gehen. Natürlich möchte ich als ehemaliger Junioren-Cheftrainer auch mal eine eigene Mannschaft übernehmen. Aber das aktuelle Angebot, drei Jahre in der Premier League als Co-Trainer zu arbeiten, ist viel zu attraktiv, um sich mit künftigen Aufgaben zu beschäftigen. Ich bin unglaublich gerne hier und weiß die Arbeit in London zu schätzen.

DFB.de: Sie stehen mit Tottenham momentan auf Platz sieben, wobei es zu Platz zwei nur drei Punkte und zu Platz eins nur fünf Punkte Abstand sind. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Freund: In den Cup-Wettbewerben sieht es sehr gut aus. Unsere ersten vier Spiele in der Europa League haben wir allesamt gewonnen und sind bereits qualifiziert für die Runde der letzten 32 im nächsten Jahr. Im Ligapokal stehen wir im Viertelfinale, das wir zu Hause gegen West Ham bestreiten. Da haben wir gute Chancen auf den Einzug ins Halbfinale. Die Stimmung wird ein bisschen getrübt durch die unglückliche Niederlage im letzten Ligaspiel gegen Newcastle (0:1; Anm. d. Red.). Hätten wir das Spiel gewonnen, wäre alles perfekt. Dann ständen wir mit zwei Punkten Abstand hinter Arsenal auf Platz drei. Nun sind wir Siebter und ein bisschen enttäuscht.

DFB.de: Mit Gareth Bale haben Sie vor der Saison nicht nur den stärksten Spieler von Tottenham, sondern auch den besten der Premier League an Real Madrid verloren. Wie schwer wiegt sein Abgang?

Freund: Weltklassespieler zu verlieren, ist immer bitter. Er war letzte Saison an 44 Toren beteiligt. Andersherum haben wir durch seine Ablöse mit Roberto Soldado, Christian Eriksen, Erik Lamela, Nacer Chadli, Vlad Chiriches, Etienne Capoue und Paulinho sieben Neuverpflichtungen auf höchstem internationalen Niveau tätigen können, die uns in der Breite besser aufstellen. Und alle werden sich über kurz oder lang hier durchsetzen.

DFB.de: Mit Kyle Walker, Andros Townsend und Jermain Defoe sind auch drei Spieler aus Tottenham im englischen Kader für das Spiel heute gegen Deutschland. Wer wird von Beginn an spielen?

Freund: Chancen haben alle drei. Kyle Walker ist ein extrem dynamischer und offensivfreudiger Rechtsverteidiger. Den zu stoppen, ist sehr schwierig. Andros Townsend kann auf beiden Flügeln spielen. Er hat sowohl links als auch rechts einen super Torabschluss und ist im Eins-gegen-Eins nkaum aufzuhalten. Jermain Defoe ist eine lebende Legende hier in Tottenham. Er hat schon 142 Tore für den Verein geschossen. Wenn er den Ball bekommt, wird es brandgefährlich.

DFB.de: Wie stark schätzen Sie die englische Nationalmannschaft zurzeit ein?

Freund: Es war ganz wichtig, dass die direkte Qualifikation geschafft wurde. Die Mannschaft ist mit dem immensen Druck fertiggeworden und hat die entscheidenden Spiele gegen Montenegro und Polen gewonnen. Das kann für den Turnierverlauf 2014 noch ganz wichtig sein. Unter Roy Hogdson kommt in die Mannschaft langsam Bewegung rein. Mit Jack Wilshere, Andros Townsend, Adam Lallana oder Jay Rodriguez kommen junge Spieler nach. Dazu kommen Steven Gerrard, Frank Lampard oder Wayne Rooney, die die Mannschaft führen. Insgesamt ein ganz interessanter Mix aus älteren und jungen Spielern, alle aus englischen Topklubs.

DFB.de: Sie haben in England Ihre zweite Heimat gefunden. Für wen schlägt Ihr Herz heute?

Freund: Ich bin Deutscher, das wird sich auch nie ändern. Deshalb wünsche ich natürlich Deutschland den Sieg. Ich freue mich wahnsinnig auf dieses Spiel. England gegen Deutschland in einem ausverkauften Wembleystadion: Das ist Kult und immer etwas Besonderes. Meine erste Erfahrung in England war der EM-Titel 1996 mit der A-Nationalmannschaft. Später habe ich als Spieler hier tolle Erlebnisse gehabt. Dann wieder beim DFB meine ersten Schritte im Trainerbereich gesammelt, und nun sehe ich als Co-Trainer in der Premier League die deutsche Nationalmannschaft in Wembley. Für mich schließt sich auf diese Weise auch der Kreis.