EM-Triumph 1997: Erster Titel unter Theune

Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft und Europameisterschaften - eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Von den bislang zehn ausgetragenen Turnieren seit 1984 haben die DFB-Frauen siebenmal den Titel gewonnen. Seit 1995 feierte Deutschland gleich fünf EM-Erfolge in Serie, zuletzt 2009 in Finnland.

Am 10. Juli beginnt für die DFB-Frauen die Mission Titelverteidigung bei der Europameisterschaft in Schweden. Das Team von Bundestrainerin Silvia Neid ist in Topform - Mut macht zusätzlich ein Blick in die Fußball-Geschichtsbücher. DFB.de erinnert in einer Serie an sieben EM-Erfolge. Heute: der Triumph 1997 in Norwegen und Schweden nach einem personellen Umbruch.

Es war das Turnier des Umbruchs. Wichtige Spielerinnen hatten aufgehört. Gero Bisanz hatte den Posten des Cheftrainers an Tina Theune übergeben. Viel sprach vorher nicht dafür, dass die A-Nationalmannschaft der Frauen 1997 erneut die Europameisterschaft gewinnen könnte. "Wir haben sicher nicht zum Favoritenkreis gezählt", sagt Theune rückblickend im DFB.de-Gespräch mit Mitarbeiter Sven Winterschladen. "Aber mit Deutschland ist immer zu rechnen."

Und das hat die Mannschaft dann im Verlauf des Wettbewerbs auch eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Um das Aus in der Vorrunde zu vermeiden, war allerdings noch etwas Glück nötig. Aber das Halbfinale gegen Schweden (1:0) war trotz des späten Siegtreffers überzeugend. Ebenso das 2:0 im Endspiel gegen Italien. Danach war der Jubel groß - mal wieder.

DFB.de: Frau Theune, welche Erinnerungen haben Sie an das Turnier 1997?

Tina Theune: Es war insgesamt sehr holprig. Wir hatten in der Vorrunde Probleme. Denn wir mussten uns als Mannschaft erst finden. Es gab vor dem Turnier einen großen Umbruch. Viele etablierte Spielerinnen hatten aufgehört: Heidi Mohr, Patricia Brocker, Silvia Neid, die meine Assistentin wurde, Anouschka Bernhard und Ursula Lohn - um nur einige zu nennen. Wir hatten also einen sehr jungen Kader. Ich glaube, das Durchschnittsalter war unter 23 Jahren. Daher war ich darauf vorbereitet, dass es eng werden könnte.

DFB.de: In der Vorrunde hat sich diese Befürchtung bereits bewahrheitet.

Theune: Ja, wir sind mit Unentschieden gegen Italien und Norwegen gestartet. Vor dem letzten Gruppenspiel gegen Dänemark hatten wir insgeheim darauf gesetzt, dass Norwegen als Ausrichter gegen Italien gewinnt. Denn dann hätte uns eine erneute Punkteteilung zum Weiterkommen gereicht. Über den Zwischenstand bei dem Parallelspiel wollten wir nicht informiert werden. Aber zehn Minuten vor Schluss wurde es sehr unruhig auf der Tribüne. Da haben wir auch auf der Trainerbank realisiert: Norwegen liegt zurück. Um nicht auszuscheiden, mussten wir Dänemark unbedingt schlagen. Uns blieb nicht mehr viel Zeit.

DFB.de: Wie lief dann die Schlussphase dieser Begegnung ab?

Theune:Es war dramatisch, wirklich nervenaufreibend. Erst hatte Dänemark eine hundertprozentige Zwei- oder Dreifachchance. In dieser Szene hat uns die zunächst die Unterkante der Latte gerettet, der Ball sprang wieder raus. Dänemark vor die Füße. Im zweiten Nachschuss haben sie den Ball jedoch übers Tor gejagt. Das war unser großes Glück.

Highlights der Frauen-EM 1997

DFB.de: Es blieb also vorerst beim 0:0. Aber Sie wären damit immer noch ausgeschieden…

Theune: Richtig. Praktisch im Gegenzug haben wir uns eine große Möglichkeit erarbeitet. Monika Meyer lag am Fünfmeterraum plötzlich der Ball vor den Füßen. Einschussbereit. Sie hat unglaublich lange gezögert. Ich dachte in diesem Augenblick nur: "Schieß ihn rein, schieß ihn rein!" Aber sie hat gewartet, gewartet, gewartet. Und rückblickend war das genau die richtige Entscheidung. Denn sie hat den Ball dann ziemlich cool zum 1:0 verwandelt. Kurz vor Schluss hat Birgit Prinz den Endstand hergestellt. Das war ein hartes Stück Arbeit.

DFB.de: War das der Knackpunkt für den weiteren Turnierverlauf?

Theune: Auf jeden Fall. Das war ein Wendepunkt. Uns war klar, dass wir diese schwere Vorrunde irgendwie überstehen müssen. Wir wussten bereits vorher, dass danach alles möglich ist und wir zu vielem fähig sind. Zu spüren war ein außerordentlich guter Teamgeist. Auch das war enorm wichtig. Im spannenden Halbfinale gegen Schweden haben wir dann eine wirklich überzeugende Leistung abgeliefert. Bettina Wiegmann hat zwar erst spät das erlösende 1:0 gemacht, ihr Treffer war aber nur der verdiente Lohn. Zudem war es ein sehr schönes Tor, ein sehenswerter Heber.

DFB.de: War das 2:0 im Endspiel gegen Italien dann der beste Auftritt während des Turniers?

Theune: Das ist schwer zu beurteilen. Unsere Mittelachse mit Silke Rottenberg, Steffi Jones, Doris Fitschen, Ariane Hingst, Bettina Wiegmann, Maren Meinert und Birgit Prinz lief zu Hochform auf. Sandra Minnert gelang mit einem herrlichen Freistoßtor das frühe 1:0. Birgit Prinz hat dann in der zweiten Halbzeit noch mal nachgelegt. Insgesamt haben wir mit den frechen Youngstern im Team die hohe Belastung des Turniers sehr viel besser weggesteckt als die Italienerinnen.

DFB.de: Nur 2221 Zuschauer haben den Höhepunkt des Turniers verfolgt. Hat Sie das damals enttäuscht?

Theune: Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass wir das gar nicht richtig wahrgenommen hatten. Wir waren so fokussiert auf unser großes Ziel, da haben wir alles andere auszublenden versucht. Uns war wichtig, dass die Aufmerksamkeit in Deutschland hoch war.

DFB.de: Es war ja auch Ihr erstes großes Turnier als Cheftrainerin. Haben Sie damals einen besonderen Druck verspürt?

Theune: Nein, ich hatte ja unter Gero Bisanz dreimal zuvor bereits als Assistentin diesen Titel gewonnen. Besonderen Druck habe ich eigentlich nie verspürt. Ich habe eher einen sehr hohen Anspruch an mich selbst. Wir sind trotz des Umbruchs zuversichtlich in das Turnier gegangen. Denn wir hatten wir uns erneut akribisch vorbereitet. Und von außen haben wir immer sehr viel Zuspruch bekommen.

DFB.de: Zählten Sie trotz der Probleme vorher zum Favoritenkreis?

Theune: Der Titel war nicht geplant, aber erhofft. Wir haben sicher nicht zum ganz engen Favoritenkreis gezählt. Wir waren vorher bei den Olympischen Spielen recht früh gescheitert. Dazu der Umbruch. Norwegen war Weltmeister und hat das Turnier zusammen mit Schweden ausgerichtet. Mit diesen Nationen hatten viele gerechnet. Dass Norwegen die Vorrunde nicht übersteht, kam sehr überraschend. Aber natürlich ist mit Deutschland als Fußballnation auch bei den Frauen immer zu rechnen. Das haben wir schon oft bewiesen.

DFB.de: In die Gegenwart: Welche Chancen hat die DFB-Auswahl in diesem Sommer in Schweden?

Theune: Ich traue der Mannschaft alles zu, auf jeden Fall auch den Titel.

DFB.de: Trotz der zahlreichen Ausfälle erfahrener Spielerinnen?

Theune: Absolut. Die jungen Spielerinnen wie Dszenifer Maroszan, Leonie Maier oder Luisa Wensing spielen ohne Scheu, sind geschickt am Ball, können im Spiel blitzschnell intelligente Entscheidungen treffen und Tore erzielen. Wir sind insgesamt auf allen Positionen gut besetzt. Wir kontrollieren den Gegner mit einem schnellen Passspiel und variablen Pressingstrategien. Wir können jeden Gegner ausspielen. Kapitänin Nadine Angerer sieht man die Entschlossenheit an. Die Chancen sind bestens. Wir können die Europameisterschaft erneut gewinnen. Davon bin ich überzeugt.

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Die deutsche Frauen-Nationalmannschaft und Europameisterschaften - eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Von den bislang zehn ausgetragenen Turnieren seit 1984 haben die DFB-Frauen siebenmal den Titel gewonnen. Seit 1995 feierte Deutschland gleich fünf EM-Erfolge in Serie, zuletzt 2009 in Finnland.

Am 10. Juli beginnt für die DFB-Frauen die Mission Titelverteidigung bei der Europameisterschaft in Schweden. Das Team von Bundestrainerin Silvia Neid ist in Topform - Mut macht zusätzlich ein Blick in die Fußball-Geschichtsbücher. DFB.de erinnert in einer Serie an sieben EM-Erfolge. Heute: der Triumph 1997 in Norwegen und Schweden nach einem personellen Umbruch.

Es war das Turnier des Umbruchs. Wichtige Spielerinnen hatten aufgehört. Gero Bisanz hatte den Posten des Cheftrainers an Tina Theune übergeben. Viel sprach vorher nicht dafür, dass die A-Nationalmannschaft der Frauen 1997 erneut die Europameisterschaft gewinnen könnte. "Wir haben sicher nicht zum Favoritenkreis gezählt", sagt Theune rückblickend im DFB.de-Gespräch mit Mitarbeiter Sven Winterschladen. "Aber mit Deutschland ist immer zu rechnen."

Und das hat die Mannschaft dann im Verlauf des Wettbewerbs auch eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Um das Aus in der Vorrunde zu vermeiden, war allerdings noch etwas Glück nötig. Aber das Halbfinale gegen Schweden (1:0) war trotz des späten Siegtreffers überzeugend. Ebenso das 2:0 im Endspiel gegen Italien. Danach war der Jubel groß - mal wieder.

DFB.de: Frau Theune, welche Erinnerungen haben Sie an das Turnier 1997?

Tina Theune: Es war insgesamt sehr holprig. Wir hatten in der Vorrunde Probleme. Denn wir mussten uns als Mannschaft erst finden. Es gab vor dem Turnier einen großen Umbruch. Viele etablierte Spielerinnen hatten aufgehört: Heidi Mohr, Patricia Brocker, Silvia Neid, die meine Assistentin wurde, Anouschka Bernhard und Ursula Lohn - um nur einige zu nennen. Wir hatten also einen sehr jungen Kader. Ich glaube, das Durchschnittsalter war unter 23 Jahren. Daher war ich darauf vorbereitet, dass es eng werden könnte.

DFB.de: In der Vorrunde hat sich diese Befürchtung bereits bewahrheitet.

Theune: Ja, wir sind mit Unentschieden gegen Italien und Norwegen gestartet. Vor dem letzten Gruppenspiel gegen Dänemark hatten wir insgeheim darauf gesetzt, dass Norwegen als Ausrichter gegen Italien gewinnt. Denn dann hätte uns eine erneute Punkteteilung zum Weiterkommen gereicht. Über den Zwischenstand bei dem Parallelspiel wollten wir nicht informiert werden. Aber zehn Minuten vor Schluss wurde es sehr unruhig auf der Tribüne. Da haben wir auch auf der Trainerbank realisiert: Norwegen liegt zurück. Um nicht auszuscheiden, mussten wir Dänemark unbedingt schlagen. Uns blieb nicht mehr viel Zeit.

DFB.de: Wie lief dann die Schlussphase dieser Begegnung ab?

Theune:Es war dramatisch, wirklich nervenaufreibend. Erst hatte Dänemark eine hundertprozentige Zwei- oder Dreifachchance. In dieser Szene hat uns die zunächst die Unterkante der Latte gerettet, der Ball sprang wieder raus. Dänemark vor die Füße. Im zweiten Nachschuss haben sie den Ball jedoch übers Tor gejagt. Das war unser großes Glück.

Highlights der Frauen-EM 1997

DFB.de: Es blieb also vorerst beim 0:0. Aber Sie wären damit immer noch ausgeschieden…

Theune: Richtig. Praktisch im Gegenzug haben wir uns eine große Möglichkeit erarbeitet. Monika Meyer lag am Fünfmeterraum plötzlich der Ball vor den Füßen. Einschussbereit. Sie hat unglaublich lange gezögert. Ich dachte in diesem Augenblick nur: "Schieß ihn rein, schieß ihn rein!" Aber sie hat gewartet, gewartet, gewartet. Und rückblickend war das genau die richtige Entscheidung. Denn sie hat den Ball dann ziemlich cool zum 1:0 verwandelt. Kurz vor Schluss hat Birgit Prinz den Endstand hergestellt. Das war ein hartes Stück Arbeit.

DFB.de: War das der Knackpunkt für den weiteren Turnierverlauf?

Theune: Auf jeden Fall. Das war ein Wendepunkt. Uns war klar, dass wir diese schwere Vorrunde irgendwie überstehen müssen. Wir wussten bereits vorher, dass danach alles möglich ist und wir zu vielem fähig sind. Zu spüren war ein außerordentlich guter Teamgeist. Auch das war enorm wichtig. Im spannenden Halbfinale gegen Schweden haben wir dann eine wirklich überzeugende Leistung abgeliefert. Bettina Wiegmann hat zwar erst spät das erlösende 1:0 gemacht, ihr Treffer war aber nur der verdiente Lohn. Zudem war es ein sehr schönes Tor, ein sehenswerter Heber.

DFB.de: War das 2:0 im Endspiel gegen Italien dann der beste Auftritt während des Turniers?

Theune: Das ist schwer zu beurteilen. Unsere Mittelachse mit Silke Rottenberg, Steffi Jones, Doris Fitschen, Ariane Hingst, Bettina Wiegmann, Maren Meinert und Birgit Prinz lief zu Hochform auf. Sandra Minnert gelang mit einem herrlichen Freistoßtor das frühe 1:0. Birgit Prinz hat dann in der zweiten Halbzeit noch mal nachgelegt. Insgesamt haben wir mit den frechen Youngstern im Team die hohe Belastung des Turniers sehr viel besser weggesteckt als die Italienerinnen.

DFB.de: Nur 2221 Zuschauer haben den Höhepunkt des Turniers verfolgt. Hat Sie das damals enttäuscht?

Theune: Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass wir das gar nicht richtig wahrgenommen hatten. Wir waren so fokussiert auf unser großes Ziel, da haben wir alles andere auszublenden versucht. Uns war wichtig, dass die Aufmerksamkeit in Deutschland hoch war.

DFB.de: Es war ja auch Ihr erstes großes Turnier als Cheftrainerin. Haben Sie damals einen besonderen Druck verspürt?

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Theune: Nein, ich hatte ja unter Gero Bisanz dreimal zuvor bereits als Assistentin diesen Titel gewonnen. Besonderen Druck habe ich eigentlich nie verspürt. Ich habe eher einen sehr hohen Anspruch an mich selbst. Wir sind trotz des Umbruchs zuversichtlich in das Turnier gegangen. Denn wir hatten wir uns erneut akribisch vorbereitet. Und von außen haben wir immer sehr viel Zuspruch bekommen.

DFB.de: Zählten Sie trotz der Probleme vorher zum Favoritenkreis?

Theune: Der Titel war nicht geplant, aber erhofft. Wir haben sicher nicht zum ganz engen Favoritenkreis gezählt. Wir waren vorher bei den Olympischen Spielen recht früh gescheitert. Dazu der Umbruch. Norwegen war Weltmeister und hat das Turnier zusammen mit Schweden ausgerichtet. Mit diesen Nationen hatten viele gerechnet. Dass Norwegen die Vorrunde nicht übersteht, kam sehr überraschend. Aber natürlich ist mit Deutschland als Fußballnation auch bei den Frauen immer zu rechnen. Das haben wir schon oft bewiesen.

DFB.de: In die Gegenwart: Welche Chancen hat die DFB-Auswahl in diesem Sommer in Schweden?

Theune: Ich traue der Mannschaft alles zu, auf jeden Fall auch den Titel.

DFB.de: Trotz der zahlreichen Ausfälle erfahrener Spielerinnen?

Theune: Absolut. Die jungen Spielerinnen wie Dszenifer Maroszan, Leonie Maier oder Luisa Wensing spielen ohne Scheu, sind geschickt am Ball, können im Spiel blitzschnell intelligente Entscheidungen treffen und Tore erzielen. Wir sind insgesamt auf allen Positionen gut besetzt. Wir kontrollieren den Gegner mit einem schnellen Passspiel und variablen Pressingstrategien. Wir können jeden Gegner ausspielen. Kapitänin Nadine Angerer sieht man die Entschlossenheit an. Die Chancen sind bestens. Wir können die Europameisterschaft erneut gewinnen. Davon bin ich überzeugt.