Deutschland, einig Fußball-Land

Es waren die bewegenden Monate der Wiedervereinigung des Fußballs: Eine kleine Gruppe fährt 1990 zum letzten DDR-Länderspiel nach Belgien. Es wird ein Vereinigungsspiel zwischen beiden deutschen Staaten geplant. In Leipzig soll es stattfinden. Plakate werden gedruckt, Karten verkauft. Doch aus Sicherheitsgründen muss das Spiel ausfallen. Mit einem symbolischen Handschlag besiegeln Hermann Neuberger und Dr. Hans- Georg Moldenhauer die Vereinigung. Im Monat darauf spielt mit Matthias Sammer der erste Spieler aus dem Osten für die gesamtdeutsche Nationalmannschaft. Der Journalist Uwe Karte über einen spannenden Herbst, in dem Geschichte und Geschichten geschrieben wurden.

Leipzig, im November 2010. Wenn sich Trainer Eduard Geyer und seine Mannschaft bei einem Kaffee und einem Stück Kuchen auf das bevorstehende Spiel einstimmen, wird Fritz Wutke in aller Ruhe die Kabine im ehemaligen Zentralstadion vorbereiten. Die Trikots aufhängen, Hosen und Stutzen zurechtlegen. Wie damals in Brüssel. Gut 20 Jahre nach dem Abschied der DDR-Auswahl gibt es in Leipzig auch für den Zeugwart ein Comeback. Mit jedem Spieler hat er persönlich gesprochen, ihn nach seiner aktuellen Konfektionsgröße und speziellen Wünschen gefragt. Der eine oder andere hat ein bisschen zugelegt. Kommen wollen alle gern, wenn es gegen die Weltmeister von 1990 geht.

Fritz Wutke freut sich wie ein kleines Kind auf die Spielzeugeisenbahn. Der Job bei der Auswahl war seine Welt. Unvergessen für ihn der 12. September 1990 und mit einer ganzen Portion Wehmut behaftet. Der Berliner mit Herz und Schnauze hat ungewöhnlichen Besuch im Heiligtum einer Nationalauswahl empfangen. Das Westfernsehen filmt ihn bei seinen Präparationen für den letzten Vorhang des anderen deutschen Teams. Die „Tagesthemen“ berichten an diesem Mittwochabend über das Belgien-Spiel der Ost-Fußballer. Aus dem EM-Qualifikationsspiel ist durch die politische Wiedervereinigung eine freundschaftliche Begegnung geworden.

Ein letztes „Hüben gegen Drüben“

Parallel dazu laufen in Leipzig die Vorbereitungen für die Vereinigung der beiden deutschen Fußball-Verbände. Nichts soll dem Zufall überlassen werden. Im Zentralstadion soll es ein letztes „Hüben gegen Drüben“ geben, die DFV-Auswahl empfängt das Team des Weltmeisters. Für die Auflösung des Ost-Verbandes ist der Festsaal im Neuen Rathaus gebucht. Der Beitritt des neu zu gründenden Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) zum DFB soll einen Tag später in der Leipziger Oper über die Bühne gehen. Das deutsch-deutsche Vereinigungsspiel soll am 21. November 1990, um 17 Uhr, angestoßen werden und unter der Leitung des englischen Schiedsrichters George Courtney stehen. Im Rahmenprogramm sollen Udo Jürgens und Frank Schöbel für Stimmung sorgen. Programme, Plakate und Karten werden gedruckt. Dabei kommt es zu einer kleinen Panne. Beim Druck der Tickets ist stärkeres Papier als üblich verwendet worden. Daher muss mit einer Portoerhöhung beim Verschicken der Karten gerechnet werden.

Brüssel erlebt an diesem Septemberabend das 293. und unwiderruflich letzte Länderspiel einer DDR-Auswahl. Die belgischen Verantwortlichen sind nicht gerade begeistert von den Nachrichten, die aus dem Umfeld ihres Gegners stammen. Das Gros der Noch-DDR-Fußballer hat wenig Lust auf Nationalmannschaft. Mit Mühe kommt Eduard Geyer beim Treff in der Sportschule Kienbaum auf ein Dutzend Spieler. Dabei hat der DFV weder Kosten noch Mühen gescheut, seine inzwischen in der Bundesliga aktiven Stars zur Anreise beim Länderspiel-Abschied zu bewegen. Für Thomas Doll (Hamburger SV), Andreas Thom und Ulf Kirsten (beide Bayer Leverkusen), Rainer Ernst (1. FC Kaiserslautern) und Matthias Sammer (VfB Stuttgart) sind schon für den Morgen nach dem Spiel Flüge gebucht. Doch es hagelt Absagen. Von insgesamt 36 Länderspiel-Kandidaten geben dem Coach 22 einen Korb. Die fantasievollste Begründung für eine Nicht-Teilnahme kommt von Dirk Schuster. Der Neuzugang beim Karlsruher SC fühlt sich schon als „BRD-Bürger“, könne deshalb nicht mehr im DDR-Trikot spielen.

Eine Frage der Ehre

Für Matthias Sammer ist es eine Frage der Ehre, des Respekts und des Anstands, beim letzten Länderspiel der DDR auf dem Rasen zu stehen. Als einziger der neuen Ost-Stars im Westen fährt er zum Treffpunkt nach Berlin und ist wütend, als er in der Sportschule Kienbaum das Häufchen Elend sieht, vom Chaos und Durcheinander erfährt. 14 Spieler sind gekommen. Sammer informiert VfB-Manager Dieter Hoeneß und macht auf dem Absatz kehrt. DFV-Pressesprecher Jörg Neubauer bringt ihn zum Flughafen. Doch an diesem Abend geht keine Maschine mehr zurück nach Stuttgart. Was tun? Aufgewühlt und unruhig lässt Sammer die Gedanken kreisen. Im Kopf hat er die Zusage von Berti Vogts, als einer der ersten ostdeutschen Spieler ins Aufgebot des Weltmeisters zu rücken. Im Auto begreift der Neu-Stuttgarter die Situation als Zeichen, kehrt zur Truppe der treuen Seelen zurück, macht ihnen Mut und fliegt mit nach Brüssel.

Heerscharen von Spielervermittlern, Beratern und Managern bevölkern das Constant-Vanden-Stock-Stadion. Mittendrin auch VfB-Trainer Willi Entenmann. Den Coach aus Stuttgart erfüllt der Gala-Auftritt seines Neuzugangs mit Stolz. Matthias Sammer ist im Spiel der DDR gegen Belgien der Chef auf dem Platz, führt, dirigiert, treibt an und schießt beide Tore. Bezeichnend auch die Szene kurz vor Ende der Partie. Im Stile eines Liberos klärt er im Fünf-Meter-Raum, jongliert dabei sicher und elegant mit dem Ball, um ihn dann entschlossen aus der Gefahrenzone zu befördern.

Vorbereitungen laufen längst auf Hochtouren

Die Vorbereitungen für das Vereinigungsspiel in Leipzig laufen längst auf Hochtouren. Aufgrund der sensiblen Sicherheitslage sollen im maroden Zentralstadion nur alkoholfreie Getränke ausgeschenkt werden. Das Fernmeldeamt Leipzig wird über benötigte Telefonleitungen informiert. Einen Spezialauftrag erhält Günter Simon, Chefredakteur der Fußball-Fachzeitschrift „Fuwo“. Seine Redaktion soll die Leipziger Gaststätte „ermitteln“, in der 90 Jahre zuvor der Deutsche Fußball-Bund gegründet worden war.

Auch Eduard Geyer nimmt den Termin sehr ernst. „Diese Begegnung wird als Länderspiel vorbereitet und mit dem Ziel verbunden, einen würdigen Abschluss für die Vereinigung der beiden Fußballverbände im Rahmen des ,Festes des deutschen Fußballs’ zu erreichen“, heißt es in einer vom Trainer unterzeichneten Information für das DFV-Präsidium. Geplant hat er elf Spielbeobachtungen, in denen er seinen „Schäfchen“ auf die Füße schauen will. Dazu zählen die Europapokalauftritte des Chemnitzer FC gegen Borussia Dortmund, der Dresdner gegen Union Luxemburg und Malmö FF sowie der Magdeburger gegen Girondins Bordeaux. Dazu beantragt der akribische Geyer eine Reise zum Länderspiel der DFB-Mannschaft am 31. Oktober 1990 in Luxemburg.

Abgesegnet ist auch die sofortige Auszahlung einer Prämie. Bereits sechs Wochen vor dem Spiel steht die Speisefolge für den letzten Lehrgang der A-Auswahl des DFV fest. Alle 14 Akteure vom Belgien-Spiel werden eingeladen, der Verband will sich damit für das gezeigte Engagement erkenntlich zeigen. Dazu kommen die Bundesliga-Profis Doll, Thom und Kirsten sowie Torhüter Perry Bräutigam. Das Team des Weltmeisters kann sich also auf Einiges gefasst machen.

Welle der Gewalt

Anfang November eskaliert vor allem in den ostdeutschen Stadien eine Welle der Gewalt. Schon Wochen zuvor hatte es in Leipzig den ersten Spielabbruch nach Ausschreitungen von Fans gegeben. Die Polizei scheint ohnmächtig. Deren Ausrüstung vom Streifenwagen über Funkgeräte bis zu Helm und Schutzschild ist hoffnungslos veraltet. Der Beruf gilt als verschrien, das Gehalt ist niedrig, besonders schlecht ist es um eine soziale Absicherung bestellt. Viele Beamte haben den Dienst quittiert. Anderen droht die Kündigung, weil sie früher der SED angehörten. Am 3. November 1990 wird bei Krawallen zwischen gewaltbereiten Fans und der Polizei in Leipzig ein 18-Jähriger erschossen.

Am 13. November 1990 tagt in Leipzig ein 20-köpfiger Krisenstab. Das Vereinigungsspiel steht auf der Kippe. Neue Sicherheitskonzepte sind gefragt, aber nicht in Tagen oder Stunden zu realisieren. Niemand ist bereit, die Verantwortung für die Großveranstaltung zu übernehmen. Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, FIFA-Präsident Dr. João Havelange und UEFA-Präsident Lennart Johansson haben ihr Kommen zugesagt. Der sächsische Innenminister Dr. Rudolf Krause gibt schließlich die Empfehlung, das Treffen der beiden deutschen Mannschaften abzusagen. Zu diesem Zeitpunkt sind schon mehr als 30.000 Eintrittskarten verkauft.

Historischer Moment

Der Festsaal im Neuen Rathaus erlebt einen historischen Moment. Gut 32 Jahre nach seiner offiziellen Gründung hat die letzte Stunde für den Ost-Verband geschlagen. Am 20. November 1990 um 12.21 Uhr ist der Fußball-Verband der DDR aufgelöst. Diese „Auflösung“ hatte sich als juristische Hürde erwiesen. In der erst Ende März in Strausberg verabschiedeten neuen DFV-Satzung ist ein solcher Vorgang nicht geregelt. Per Antrag des Vorstandes wird der Abgesang schließlich beschlossen. Gleich im Anschluss kommt es zur Neugründung des Nordostdeutschen Fußballverbandes. Damit sind alle Voraussetzungen für den Beitritt des Ost-Fußballs zum DFB erfüllt.

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Es waren die bewegenden Monate der Wiedervereinigung des Fußballs: Eine kleine Gruppe fährt 1990 zum letzten DDR-Länderspiel nach Belgien. Es wird ein Vereinigungsspiel zwischen beiden deutschen Staaten geplant. In Leipzig soll es stattfinden. Plakate werden gedruckt, Karten verkauft. Doch aus Sicherheitsgründen muss das Spiel ausfallen. Mit einem symbolischen Handschlag besiegeln Hermann Neuberger und Dr. Hans- Georg Moldenhauer die Vereinigung. Im Monat darauf spielt mit Matthias Sammer der erste Spieler aus dem Osten für die gesamtdeutsche Nationalmannschaft. Der Journalist Uwe Karte über einen spannenden Herbst, in dem Geschichte und Geschichten geschrieben wurden.

Leipzig, im November 2010. Wenn sich Trainer Eduard Geyer und seine Mannschaft bei einem Kaffee und einem Stück Kuchen auf das bevorstehende Spiel einstimmen, wird Fritz Wutke in aller Ruhe die Kabine im ehemaligen Zentralstadion vorbereiten. Die Trikots aufhängen, Hosen und Stutzen zurechtlegen. Wie damals in Brüssel. Gut 20 Jahre nach dem Abschied der DDR-Auswahl gibt es in Leipzig auch für den Zeugwart ein Comeback. Mit jedem Spieler hat er persönlich gesprochen, ihn nach seiner aktuellen Konfektionsgröße und speziellen Wünschen gefragt. Der eine oder andere hat ein bisschen zugelegt. Kommen wollen alle gern, wenn es gegen die Weltmeister von 1990 geht.

Fritz Wutke freut sich wie ein kleines Kind auf die Spielzeugeisenbahn. Der Job bei der Auswahl war seine Welt. Unvergessen für ihn der 12. September 1990 und mit einer ganzen Portion Wehmut behaftet. Der Berliner mit Herz und Schnauze hat ungewöhnlichen Besuch im Heiligtum einer Nationalauswahl empfangen. Das Westfernsehen filmt ihn bei seinen Präparationen für den letzten Vorhang des anderen deutschen Teams. Die „Tagesthemen“ berichten an diesem Mittwochabend über das Belgien-Spiel der Ost-Fußballer. Aus dem EM-Qualifikationsspiel ist durch die politische Wiedervereinigung eine freundschaftliche Begegnung geworden.

Ein letztes „Hüben gegen Drüben“

Parallel dazu laufen in Leipzig die Vorbereitungen für die Vereinigung der beiden deutschen Fußball-Verbände. Nichts soll dem Zufall überlassen werden. Im Zentralstadion soll es ein letztes „Hüben gegen Drüben“ geben, die DFV-Auswahl empfängt das Team des Weltmeisters. Für die Auflösung des Ost-Verbandes ist der Festsaal im Neuen Rathaus gebucht. Der Beitritt des neu zu gründenden Nordostdeutschen Fußballverbandes (NOFV) zum DFB soll einen Tag später in der Leipziger Oper über die Bühne gehen. Das deutsch-deutsche Vereinigungsspiel soll am 21. November 1990, um 17 Uhr, angestoßen werden und unter der Leitung des englischen Schiedsrichters George Courtney stehen. Im Rahmenprogramm sollen Udo Jürgens und Frank Schöbel für Stimmung sorgen. Programme, Plakate und Karten werden gedruckt. Dabei kommt es zu einer kleinen Panne. Beim Druck der Tickets ist stärkeres Papier als üblich verwendet worden. Daher muss mit einer Portoerhöhung beim Verschicken der Karten gerechnet werden.

Brüssel erlebt an diesem Septemberabend das 293. und unwiderruflich letzte Länderspiel einer DDR-Auswahl. Die belgischen Verantwortlichen sind nicht gerade begeistert von den Nachrichten, die aus dem Umfeld ihres Gegners stammen. Das Gros der Noch-DDR-Fußballer hat wenig Lust auf Nationalmannschaft. Mit Mühe kommt Eduard Geyer beim Treff in der Sportschule Kienbaum auf ein Dutzend Spieler. Dabei hat der DFV weder Kosten noch Mühen gescheut, seine inzwischen in der Bundesliga aktiven Stars zur Anreise beim Länderspiel-Abschied zu bewegen. Für Thomas Doll (Hamburger SV), Andreas Thom und Ulf Kirsten (beide Bayer Leverkusen), Rainer Ernst (1. FC Kaiserslautern) und Matthias Sammer (VfB Stuttgart) sind schon für den Morgen nach dem Spiel Flüge gebucht. Doch es hagelt Absagen. Von insgesamt 36 Länderspiel-Kandidaten geben dem Coach 22 einen Korb. Die fantasievollste Begründung für eine Nicht-Teilnahme kommt von Dirk Schuster. Der Neuzugang beim Karlsruher SC fühlt sich schon als „BRD-Bürger“, könne deshalb nicht mehr im DDR-Trikot spielen.

Eine Frage der Ehre

Für Matthias Sammer ist es eine Frage der Ehre, des Respekts und des Anstands, beim letzten Länderspiel der DDR auf dem Rasen zu stehen. Als einziger der neuen Ost-Stars im Westen fährt er zum Treffpunkt nach Berlin und ist wütend, als er in der Sportschule Kienbaum das Häufchen Elend sieht, vom Chaos und Durcheinander erfährt. 14 Spieler sind gekommen. Sammer informiert VfB-Manager Dieter Hoeneß und macht auf dem Absatz kehrt. DFV-Pressesprecher Jörg Neubauer bringt ihn zum Flughafen. Doch an diesem Abend geht keine Maschine mehr zurück nach Stuttgart. Was tun? Aufgewühlt und unruhig lässt Sammer die Gedanken kreisen. Im Kopf hat er die Zusage von Berti Vogts, als einer der ersten ostdeutschen Spieler ins Aufgebot des Weltmeisters zu rücken. Im Auto begreift der Neu-Stuttgarter die Situation als Zeichen, kehrt zur Truppe der treuen Seelen zurück, macht ihnen Mut und fliegt mit nach Brüssel.

Heerscharen von Spielervermittlern, Beratern und Managern bevölkern das Constant-Vanden-Stock-Stadion. Mittendrin auch VfB-Trainer Willi Entenmann. Den Coach aus Stuttgart erfüllt der Gala-Auftritt seines Neuzugangs mit Stolz. Matthias Sammer ist im Spiel der DDR gegen Belgien der Chef auf dem Platz, führt, dirigiert, treibt an und schießt beide Tore. Bezeichnend auch die Szene kurz vor Ende der Partie. Im Stile eines Liberos klärt er im Fünf-Meter-Raum, jongliert dabei sicher und elegant mit dem Ball, um ihn dann entschlossen aus der Gefahrenzone zu befördern.

Vorbereitungen laufen längst auf Hochtouren

Die Vorbereitungen für das Vereinigungsspiel in Leipzig laufen längst auf Hochtouren. Aufgrund der sensiblen Sicherheitslage sollen im maroden Zentralstadion nur alkoholfreie Getränke ausgeschenkt werden. Das Fernmeldeamt Leipzig wird über benötigte Telefonleitungen informiert. Einen Spezialauftrag erhält Günter Simon, Chefredakteur der Fußball-Fachzeitschrift „Fuwo“. Seine Redaktion soll die Leipziger Gaststätte „ermitteln“, in der 90 Jahre zuvor der Deutsche Fußball-Bund gegründet worden war.

Auch Eduard Geyer nimmt den Termin sehr ernst. „Diese Begegnung wird als Länderspiel vorbereitet und mit dem Ziel verbunden, einen würdigen Abschluss für die Vereinigung der beiden Fußballverbände im Rahmen des ,Festes des deutschen Fußballs’ zu erreichen“, heißt es in einer vom Trainer unterzeichneten Information für das DFV-Präsidium. Geplant hat er elf Spielbeobachtungen, in denen er seinen „Schäfchen“ auf die Füße schauen will. Dazu zählen die Europapokalauftritte des Chemnitzer FC gegen Borussia Dortmund, der Dresdner gegen Union Luxemburg und Malmö FF sowie der Magdeburger gegen Girondins Bordeaux. Dazu beantragt der akribische Geyer eine Reise zum Länderspiel der DFB-Mannschaft am 31. Oktober 1990 in Luxemburg.

Abgesegnet ist auch die sofortige Auszahlung einer Prämie. Bereits sechs Wochen vor dem Spiel steht die Speisefolge für den letzten Lehrgang der A-Auswahl des DFV fest. Alle 14 Akteure vom Belgien-Spiel werden eingeladen, der Verband will sich damit für das gezeigte Engagement erkenntlich zeigen. Dazu kommen die Bundesliga-Profis Doll, Thom und Kirsten sowie Torhüter Perry Bräutigam. Das Team des Weltmeisters kann sich also auf Einiges gefasst machen.

Welle der Gewalt

Anfang November eskaliert vor allem in den ostdeutschen Stadien eine Welle der Gewalt. Schon Wochen zuvor hatte es in Leipzig den ersten Spielabbruch nach Ausschreitungen von Fans gegeben. Die Polizei scheint ohnmächtig. Deren Ausrüstung vom Streifenwagen über Funkgeräte bis zu Helm und Schutzschild ist hoffnungslos veraltet. Der Beruf gilt als verschrien, das Gehalt ist niedrig, besonders schlecht ist es um eine soziale Absicherung bestellt. Viele Beamte haben den Dienst quittiert. Anderen droht die Kündigung, weil sie früher der SED angehörten. Am 3. November 1990 wird bei Krawallen zwischen gewaltbereiten Fans und der Polizei in Leipzig ein 18-Jähriger erschossen.

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Am 13. November 1990 tagt in Leipzig ein 20-köpfiger Krisenstab. Das Vereinigungsspiel steht auf der Kippe. Neue Sicherheitskonzepte sind gefragt, aber nicht in Tagen oder Stunden zu realisieren. Niemand ist bereit, die Verantwortung für die Großveranstaltung zu übernehmen. Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, FIFA-Präsident Dr. João Havelange und UEFA-Präsident Lennart Johansson haben ihr Kommen zugesagt. Der sächsische Innenminister Dr. Rudolf Krause gibt schließlich die Empfehlung, das Treffen der beiden deutschen Mannschaften abzusagen. Zu diesem Zeitpunkt sind schon mehr als 30.000 Eintrittskarten verkauft.

Historischer Moment

Der Festsaal im Neuen Rathaus erlebt einen historischen Moment. Gut 32 Jahre nach seiner offiziellen Gründung hat die letzte Stunde für den Ost-Verband geschlagen. Am 20. November 1990 um 12.21 Uhr ist der Fußball-Verband der DDR aufgelöst. Diese „Auflösung“ hatte sich als juristische Hürde erwiesen. In der erst Ende März in Strausberg verabschiedeten neuen DFV-Satzung ist ein solcher Vorgang nicht geregelt. Per Antrag des Vorstandes wird der Abgesang schließlich beschlossen. Gleich im Anschluss kommt es zur Neugründung des Nordostdeutschen Fußballverbandes. Damit sind alle Voraussetzungen für den Beitritt des Ost-Fußballs zum DFB erfüllt.