DDR-Fußball-Studie auf "einem guten Weg"

Trotz der unverhohlenen Funktionärsvorliebe für Olympische Spiele war der Fußball auch im Arbeiter- und Bauernstaat die beliebteste Sportart. Und erfolgreich war er auch noch, der Fußball in der DDR (muss wirklich nochmal an Sparwassers Schuss erinnert werden?). Weil mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung vieles im Dunkeln liegt, hat das DFB-Präsidium zwei Forscherteams mit einer weitgesteckten Studie über den DDR-Fußball beauftragt. Angeregt und auf den Weg gebracht hatte die Studie die AG Wissenschaft des DFB und deren Leiter Prof. Dr. Martin-Peter Büch. In der zweiten Jahreshälfte 2016 soll die Studie „Aufarbeitung der Geschichte des DDR-Fußballs“ veröffentlicht werden, jetzt präsentierten die Historiker aus Berlin und Münster den aktuellen Forschungsstand.

Prof. Dr. Wolfram Pyta, Direktor der Abteilung für Neuere Geschichte der Universität Stuttgart, ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates für das Projekt. Im Interview spricht Pyta mit Redakteur Thomas Hackbarth über das Halbzeitergebnis einer Grundlagenstudie, die „Schneisen schlagen“ und auch andere Sportarten ermutigen will, die eigene „DDR-Vergangenheit“ zu erforschen.

DFB.de: Prof. Dr. Pyta, der DFB hat Forscherteams aus Berlin und Münster beauftragt, die Geschichte des DDR-Fußballs aufzuarbeiten. Nach einem Jahr, wie ist der Zwischenstand?

Prof. Dr. Wolfram Pyta: Das Projekt ist als eine Studie der wissenschaftlichen Grundlagenforschung anspruchsvoll angelegt. Diese Studie soll auch andere Sportarten ermuntern, die eigene DDR-Geschichte zu erforschen. Sie kann als Pionierstudie gelten, da hinsichtlich Themenvielfalt und Forschungsintensität keine vergleichbaren wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Gebiet existieren. Wichtig ist, dass die beiden Forscherteams interdisziplinär zusammengesetzt sind und sich bei ihren Forschungen optimal ergänzen. Dr. Jutta Braun und Michael Barsuhn vom Zentrum deutsche Sportgeschichte (ZdS) in Berlin erhielten bereits im August 2013 den Zuschlag des DFB-Präsidiums für den Themenbereich 'Organisation und Klub-Geschichte'. Dr. Kai Reinhart und Dr. René Wiese von der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster sowie Dr. Darius Wojtaszyn vom Willy-Brandt-Zentrum der Universität Breslau widmen sich der 'Kultur- und Alltagsgeschichte' des DDR-Fußballs. Unter dem Strich: Das Forschungsprojekt ist auf einem guten Weg.

DFB.de: Die Bandbreite der Studie ist enorm. Die Organisation des Fußballs in der DDR, die Entwicklung einzelner Vereine, die Nachwuchsarbeit, das Leben der Staatsamateure, Stasi-Überwachung und Doping, spieltaktische Vorstellungen im Sozialismus, die Fankultur, die Bewertung der westdeutschen Nationalmannschaft in den Ostmedien… Die Forscher haben sich ein großes Feld zugemutet.

Prof. Dr. Pyta: Mit Bedacht, denn es wäre schlichtweg eine unzulässige Verkürzung der Geschichte des DDR-Fußballs, wenn wir dieses komplexe Feld auf wenige Aspekte verkürzen würden, etwa inwieweit der organisierte Fußball unter Beobachtung der Staatssicherheit stand. Gewiss war der Deutsche Fußball-Verband (DFV) keine politisch unschuldige Organisation. Im Gegensatz zu den autonomen Fußballverbänden in den alten Bundesländern verstand sich der DFV stets als Teil und Botschafter der sozialistischen Gesellschaftsordnung. Anhand von vier ausgewählten Vereinen soll genauer beleuchtet werden, wie der Fußball von der Stasi durchdrungen war. Wir wollen auch erforschen, wie 'Verräter' abgestraft wurden, die gegen das Idealbild des sozialistischen Vorzeigesportlers verstießen. Aber wie Sie sagen, das Forschungsfeld geht weit über die politischen Aspekte hinaus.



Trotz der unverhohlenen Funktionärsvorliebe für Olympische Spiele war der Fußball auch im Arbeiter- und Bauernstaat die beliebteste Sportart. Und erfolgreich war er auch noch, der Fußball in der DDR (muss wirklich nochmal an Sparwassers Schuss erinnert werden?). Weil mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinigung vieles im Dunkeln liegt, hat das DFB-Präsidium zwei Forscherteams mit einer weitgesteckten Studie über den DDR-Fußball beauftragt. Angeregt und auf den Weg gebracht hatte die Studie die AG Wissenschaft des DFB und deren Leiter Prof. Dr. Martin-Peter Büch. In der zweiten Jahreshälfte 2016 soll die Studie „Aufarbeitung der Geschichte des DDR-Fußballs“ veröffentlicht werden, jetzt präsentierten die Historiker aus Berlin und Münster den aktuellen Forschungsstand.

Prof. Dr. Wolfram Pyta, Direktor der Abteilung für Neuere Geschichte der Universität Stuttgart, ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirates für das Projekt. Im Interview spricht Pyta mit Redakteur Thomas Hackbarth über das Halbzeitergebnis einer Grundlagenstudie, die „Schneisen schlagen“ und auch andere Sportarten ermutigen will, die eigene „DDR-Vergangenheit“ zu erforschen.

DFB.de: Prof. Dr. Pyta, der DFB hat Forscherteams aus Berlin und Münster beauftragt, die Geschichte des DDR-Fußballs aufzuarbeiten. Nach einem Jahr, wie ist der Zwischenstand?

Prof. Dr. Wolfram Pyta: Das Projekt ist als eine Studie der wissenschaftlichen Grundlagenforschung anspruchsvoll angelegt. Diese Studie soll auch andere Sportarten ermuntern, die eigene DDR-Geschichte zu erforschen. Sie kann als Pionierstudie gelten, da hinsichtlich Themenvielfalt und Forschungsintensität keine vergleichbaren wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Gebiet existieren. Wichtig ist, dass die beiden Forscherteams interdisziplinär zusammengesetzt sind und sich bei ihren Forschungen optimal ergänzen. Dr. Jutta Braun und Michael Barsuhn vom Zentrum deutsche Sportgeschichte (ZdS) in Berlin erhielten bereits im August 2013 den Zuschlag des DFB-Präsidiums für den Themenbereich 'Organisation und Klub-Geschichte'. Dr. Kai Reinhart und Dr. René Wiese von der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster sowie Dr. Darius Wojtaszyn vom Willy-Brandt-Zentrum der Universität Breslau widmen sich der 'Kultur- und Alltagsgeschichte' des DDR-Fußballs. Unter dem Strich: Das Forschungsprojekt ist auf einem guten Weg.

DFB.de: Die Bandbreite der Studie ist enorm. Die Organisation des Fußballs in der DDR, die Entwicklung einzelner Vereine, die Nachwuchsarbeit, das Leben der Staatsamateure, Stasi-Überwachung und Doping, spieltaktische Vorstellungen im Sozialismus, die Fankultur, die Bewertung der westdeutschen Nationalmannschaft in den Ostmedien… Die Forscher haben sich ein großes Feld zugemutet.

Prof. Dr. Pyta: Mit Bedacht, denn es wäre schlichtweg eine unzulässige Verkürzung der Geschichte des DDR-Fußballs, wenn wir dieses komplexe Feld auf wenige Aspekte verkürzen würden, etwa inwieweit der organisierte Fußball unter Beobachtung der Staatssicherheit stand. Gewiss war der Deutsche Fußball-Verband (DFV) keine politisch unschuldige Organisation. Im Gegensatz zu den autonomen Fußballverbänden in den alten Bundesländern verstand sich der DFV stets als Teil und Botschafter der sozialistischen Gesellschaftsordnung. Anhand von vier ausgewählten Vereinen soll genauer beleuchtet werden, wie der Fußball von der Stasi durchdrungen war. Wir wollen auch erforschen, wie 'Verräter' abgestraft wurden, die gegen das Idealbild des sozialistischen Vorzeigesportlers verstießen. Aber wie Sie sagen, das Forschungsfeld geht weit über die politischen Aspekte hinaus.

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DFB.de: Wie beliebt war der Fußball in der DDR?

Prof. Dr. Pyta: Fußball erfreute sich auch dort des Status' als weitaus populärste Sportart, und dies obgleich die DDR-Führung olympische Sportarten wesentlich mehr hätschelte und förderte. Aus Sicht der Staatsführung schien es doch lukrativer, stärker etwa in den Kanusport oder ins Schwimmen zu investieren. Die Tatsache, dass sich der Fußball trotz einer eben gerade nicht massiven staatlichen Unterstützung behauptet hat, spricht für seine kulturelle Eigendynamik. Diese kulturellen Triebkräfte des Fußballs in der DDR soll das Projekt vor allem in den Blick nehmen.

DFB.de: Stehen die beiden Forscherteams im Dialog mit den großen Persönlichkeiten des DDR-Fußballs?

Prof. Dr. Pyta: Wichtig ist, dass der historische Zugang zum DDR-Fußball auch über herausragende Spieler- und Trainerpersönlichkeiten erfolgt. Im zweiten Projektjahr gilt es, Interviews in die Wege zu leiten. Dieses Wissen sollte in das Projekt einfließen. Schon jetzt haben die Forscherteams etliche Zeitzeugen-Interviews geführt, mit Verbands- und Vereinsverantwortlichen, aber auch mit einfachen Fußballfans. Aus der Perspektive der Akteure soll der Blick auf die Geschichte erfolgen. Und auf diese Weise wird man auch Facetten des DDR–Fußballs beleuchten, die in den Akten bis heute schwer fassbar sind. Dies gilt nicht zuletzt für die ökonomische Seite des Fußballsports. Die Spitzenfußballer in der DDR waren allem Anschein nach Spielerpersönlichkeiten, die einen Marktwert besaßen und auch darum wussten. Fußball war insofern eine kapitalistische Insel im Sozialismus. Und es gab durchaus so etwas wie einen verkappten Spielermarkt.

DFB.de: Gab es denn auch Fangewalt im DDR-Fußball?

Prof. Dr. Pyta: Dieser Aspekt ist quellenmäßig schwer zu eruieren, aber auch hier hat das Projekt neue Einsichten vermittelt – dass es nämlich von der Staatssicherheit und Volkspolizei schwer zu kontrollierende Fanauseinandersetzungen bei bestimmten Spielepaarungen gab, wo sich rivalisierende Fangruppen gezielt 'auf der grünen Wiese' trafen. Darüber wurde aber nie in den Medien berichtet, weil es nicht in die ideologischen Vorstellungen passte.