Auf den Spuren von Julius Hirsch

DEPORTATION NACH AUSCHWITZ | ESSEN/DÜSSELDORF | 45 Graz und lebte im Stadtbezirk Straßgang. Aus Kum- mer wegen der Scheidung wollte Elfriede alle Brü- cken hinter sich abbrechen und entschied sich, die Stadt zu verlassen. Sie suchte und fand Anstellung bei der Drogerie „Alfred Tapken Nachf.“ (Inhaber Rudolf Schmidtchen) in Düsseldorf, wohin sie am 19. Okto- ber 1938 zog. Dass Elfriede Falkner nach den NS-„Rassegesetzen“ trotz Taufe als „Volljüdin“ galt, war weder ihrem neuen Arbeitgeber noch ihrem Vermieter bekannt. Sie sah auch keine Veranlassung dies zu ändern, zumal sie sich selbst gar nicht als Jüdin fühlte. Auch als sie 1939 im Düsseldorfer Polizeipräsidium eine Kenn- karte beantragte (die mit Verordnung vom 5. Oktober 1938 eingeführt worden waren), wurde ihre Herkunft nicht bekannt. Auf ihrem Geburts- und Taufschein waren ihre Religionszugehörigkeit und die ihrer Eltern mit „evangelisch“ angegeben, weshalb die Behörde keinen Verdacht schöpfte. Der Düsseldorfer Gestapo war also verborgen geblieben, dass Elfriede eine jüdische Herkunft hatte. Deswegen war sie von den überall im Deutschen Reich im Oktober 1941 einset- zenden Deportationen zum„Arbeitseinsatz imOsten“, wie es verschleiernd hieß, unbehelligt geblieben. Das Geheimnis von Elfriede Falkner wäre nie aufgeflo- gen, wenn nicht am 20. Januar 1943 ein Schreiben der Gestapo Wien im „Judenreferat“ der Düsseldorfer Gestapo eingegangen wäre. Elfriede „Sara“ Falkner sei, schrieb ein Gestapobeamter namens Schneider, „Tochter einer Volljüdin und gilt als Jüdin. Vertraulich ist mir mitgeteilt worden, dass sich die Genannte z.Zt. in Düsseldorf aufhalten und als leitende Kraft in einer Drogerie in der Bahnstraße 60 beschäftigt sein soll.“ Wer Elfriede Falkner bei der Wiener Gestapo denun- zierte, konnte nicht geklärt werden. Der Gestapobeamte Pütz verfasste einen „Schutzhaft­ antrag“, der am 26. Januar 1943 vom stellvertreten- den Gestapochef Herbert Weygandt unterzeichnet und an das Reichssicherheitshauptamt weiterge- leitet wurde: „Da die Falkner sämtliche für Juden erlassenen Gesetze, Verordnungen und sicherheits- polizeilichen Vorschriften nicht beachtet hat, wurde sie am 21.1.1943 in Schutzhaft genommen. Die zum Schutze des Deutschen Blutes und der Deutschen Ehre erlassenen Bestimmungen hat die Jüdin Falkner nicht nur nicht beachtet, sondern sie hat sich in ganz frivoler Weise hierüber hinweggesetzt.“ Die Düssel- dorfer Gestapo beantragte ihre Überführung in das Konzentrationslager Auschwitz. Ein nur sehr kleiner Teil der persönlichen Habe Elfriede Falkners wurde ihr auf ihr Bitten ins Gefäng- nis nachgeliefert. In ihrer Zelle in der „Ulmer Höh“, in der sie bis zur Deportation warten musste, fehlte es ihr – einen Monat nach ihrer Festnahme! – an allem: Zahnbürste, Zahnpasta, Seife, Waschlappen und Unterwäsche. Ihr gesamtes Eigentum wurde von der Gestapo versiegelt und beschlagnahmt. Das Reichssicherheitshauptamt bestätigte am 13. Februar den „Schutzhaftantrag“ und die Gestapo Düsseldorf entschloss sich, Elfriede Falkner dem großen Mas- sen-Transport anzuschließen, der am 2. März 1943 von Dortmund aus in Richtung Auschwitz fuhr. Nach den Angaben in ihrer Gestapoakte kam sie in das „Frauenlager“ in Auschwitz. In den Eingangsbüchern ist sie nicht vermerkt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sie kurz nach der Ankunft in Ausch­ witz-Birkenau ermordet worden ist. Text von Dr. Joachim Schröder

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