PROTOKOLLE Bundestag 2019

18 42. ordentlicher DFB-Bundestag · 3./4. November 2016 · Erfurt Grußwort Christoph Biermann Der DFB hat sich – wenn ich das richtig verstehe – zu diesem Bundestag Transparenz und Offenheit auf die Fahnen geschrieben. Das ist nicht nur im Zusammenhang mit der Vergabe der WM 2006 unabdingbar. Transparenz und Offenheit sind auch deshalb wichtig, weil man beim DFB oft das Gefühl hat, dass Entscheidungen in einer Blackbox getroffen werden. Und wenn sie dann getroffen worden sind, tritt eine geschlossene Phalanx von Männern – ja, eigentlich nur Männern – nach vorne und verkündet sie mit dem Gestus der Zweifellosigkeit. Wenn Sie dem Publikum aber einen offeneren Blick auf Ihre Debatten erlauben würden, auf das Ringen um die richtigen Entscheidungen, auf die demokratischen Prozesse, das würden die Menschen mögen, und es würde das Gefühl zerstreuen, dass doch auch im Fußball „die da oben machen, was sie wollen“. Fußball ist ein ungeheuer emotionaler Sport, weil Fußball so vielen Menschen so viel bedeu- tet. Doch wenn ich den DFB als eine Person charakterisieren müsste, würde ich einen Men- schen beschreiben, der Gefühlen eher nicht traut und sie am liebsten unter Kontrolle hält, als jemand, der bloß nichts falsch machen möchte, damit alle eine gute Meinung von ihm haben. Dieser Mensch würde am liebsten allen anderen auch noch erklären, was sie von ihm denken sollen, weil er es doch auch am besten weiß. Diese Angst vor Kontrollverlust ist verständlich, aber sie bindet auch Energien, etwa die Kraft, die im Fußball der Amateure steckt. Da draußen laufen viele Tausend kreative und engagierte Leute in Fußballvereinen herum, die entweder tagelang über neue Trainingsübungen für ihr Kreisligateam grübeln, bis zur Erschöpfung an Umkleidekabinen und Vereinsheimen herumwerkeln oder Fußballschuhe für ihre Flüchtlingskicker besorgen – und die heute übrigens nicht mehr selbstverständlich annehmen, dass Fußball und Saufen zusammengehören. Aber selbst die – das ist zumindest mein Eindruck – sprechen über den DFB oft als ein fernes, unnahbares Gebilde und nicht als ihren Fußballverband. Das liegt auch daran, dass der DFB – wenn wir ihn nochmals als Person betrachten – eher den Weg weisen möchte, als dass er die Leichtigkeit hat, seinen Mitgliedern vielleicht einfach nur zu helfen, einen eigenen Weg zu finden. Fast alle, die Sie hier sitzen, sind Vereinsmeier. Das ist nie ein freundlicher Begriff gewesen, auch heute nicht, wo schon das Wort „Verein“ leicht muffig klingt. Wenn ich den DFB über den Fußball der Amateurvereine und das Ehrenamt sprechen höre, schwingt dabei – sicherlich ungewollt – immer ein gewisser Minderwertigkeitskomplex mit. Klar, Fußball findet heute in zwei Welten statt. In einer gibt es Glamour, glitzerndes Business und jede Menge Kohle, wäh- rend die Vereinsmeier angestrengt das Geld für einen neuen Satz Trikots zusammenkratzen müssen. Attraktiv ist das erst einmal nicht. Aber vielleicht wird es das, wenn man anders auf die Ver- einsmeierei schaut und sagt: Ein Verein ist ein Zusammenschluss von Leuten, die gemeinsam etwas machen, was sie lieben, und sich dafür gegenseitig keine Rechnungen schreiben. Ama- teurfußball ist ein Fußball, der eben keine Ware ist und in dem gerade deshalb eine riesige Kraft schlummert, weil unsere Zeit so etwas braucht. Das Dumme ist nur, dass sich der Profifußball und der Vereinsmeierfußball auf den Füßen stehen – wobei auch klar ist, wer wem auf den Füßen steht. An einem normalen Fußball- wochenende zwischen Freitag und Montag werden zu acht unterschiedlichen Anstoßzeiten Fußballspiele live im Fernsehen gezeigt. Da sind nicht einmal die Spiele der 3. und 4. Liga mitgezählt, die sich immer mehr im Fernsehen breitmachen. Selbstverständlich schauen sich auch deshalb viele Leute keine Spiele der unteren Klassen mehr an oder kommen manchmal selber nicht mehr zum Kicken.

RkJQdWJsaXNoZXIy OTA4MjA=