PROTOKOLLE Bundestag 2019

16 42. ordentlicher DFB-Bundestag · 3./4. November 2016 · Erfurt Grußwort Christoph Biermann (Jingle und Bilder zu Christoph Biermann) Christoph Biermann: Sie sehen, ich habe nur einen Anzug. (Heiterkeit) Ich muss Ralf korrigieren: Natürlich gehe ich nicht seit 15 Jahren, sondern seit 40 Jahren zum VfL Bochum, (Heiterkeit und Beifall) und ich glaube, den Beifall habe ich mir verdient. Ich muss diese Rede mit einem Geständnis beginnen: Ich bin kein Mitglied des Deutschen Fußball-Bundes. Das war ich in meiner Jugend einmal, als ich in meiner Heimatstadt Herne in diversen Vereinen gespielt habe. In einem davon hatte ich einen sehr engagierten Trai- ner, dessen orangefarbener VW-Käfer auf den Sitzen und auf dem Boden voller Brandlöcher war, weil ihm bei der aufgeregten Suche nach den Sportplätzen in Wanne-Eickel immer die Selbstgedrehten herunterfielen. Ich mochte ihn sehr, aber sonst fand ich es im Fußballverein, ehrlich gesagt, nicht so toll, weil – um es einmal so zu sagen – das Stiefeltrinken wichtiger als die Kickstiefel waren. Anfang der 80er-Jahre beschloss ich also: Organisierter Spielbetrieb ist nichts für mich; ein Ball, eine Wiese und ein paar Freunde reichten mir völlig. Den DFB und den organisierten Spielbetrieb brauchte ich aber dennoch. Ich war sowieso ein besserer Zuschauer, als ich ein Fußballspieler war. Also ging ich jedes Wochenende ins Stadion – manchmal auch mehrfach. Ich besuchte die Spiele meines Lieblingsvereins VfL Bochum und meines Heimatklubs Westfalia Herne. Ich stand in der Kurve, den blau-weißen Schal um den Hals, und feuerte meine Mannschaft an. Manchmal versteckte ich den Schal aber auch, weil das in den 80er- und 90er-Jahren oft besser war. In den und um die Stadien herum waren Prüge­ leien nämlich so selbstverständlich, dass ich lange dachte, das müsste beim Fußball so sein. Ich schaute mir damals auch die Spiele der deutschen Nationalmannschaft an. Schließlich war ich als Kind daheim vor dem Fernseher auf dem Fußboden herumgerutscht, weil ich es ein- fach nicht aushielt, dass das WM-Finale 1974 nicht abgepfiffen wurde. Danach war ich jubelnd auf die Straße gelaufen – als Einziger übrigens. Fußball schrieb zu dieser Zeit noch keine Som- mermärchen. Das Nationalteam der 80er-Jahre noch weniger – also nachdem Horst Hrubesch das entschei- dende Tor 1980 in Rom geschossen hatte –: Es erlebte ein insgesamt eher dunkles Zeitalter wenig freudvollen Ergebnisfußballs. Die Fans der Mannschaft machten es auch nicht bes- ser, weil sich um das Nationalteam die unangenehmsten von denen sammelten, die ich jedes Wochenende erlebte, die nicht nur gewalttätig, sondern aggressive Nationalisten und Rassis- ten waren. Sie ahnen schon, dass ich kein übermäßiger Nostalgiker bin. Auch meine Erinnerungen an den Deutschen Fußball-Bund jener Zeit sind nicht sehr positiv. Damals wollte der DFB nämlich nur für Fußball zuständig sein und tat so, als hätte er mit der Welt nichts zu tun, in der dieser Fuß- ball gespielt wurde. Doch dabei blieb es nicht. Ab Mitte der 80er-Jahre – inzwischen war ich Journalist geworden – berichtete ich häufiger über die damals neu gegründeten Fanprojekte. Sie bemühten sich um Anerkennung ihrer Sozialarbeit mit Fußballhooligans, und der DFB beschloss, sie finanziell zu unterstützen. Das war nicht so selbstverständlich, wie man heute denken könnte, weil das Problem der Fußball- gewalt in den meisten anderen europäischen Ländern fast ausschließlich der Polizei überlas- sen wurde.

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